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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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lagerung vorbei ist. Zwei, drei Eier am Tag zu den Rationen dazu, das reicht uns. Aber wir konnten sie nicht warm genug halten.«
    »Vergiss die verdammten Hühner. Komm schon, gib mir die Hand.«
    Der Junge nahm noch immer keine Notiz von Koljas ausgestreckter Hand, und so bedeutete mir Kolja, ihm zu helfen. Aber ich hatte etwas gesehen, eine Bewegung, wo sich eigentlich nichts bewegen sollte, eine Regung unter dem Pelzmantel des Jungen, als würde sein großes Herz so laut schlagen, dass man das Pochen sehen konnte.
    »Was hast du da?«, fragte ich.
    Der Junge strich sich vorne über den Mantel, beruhigte das, was sich darunter befand. Zum ersten Mal blickte mir der Junge in die Augen. So schwach er auch war, nur Millimeter von der Grenzlinie entfernt, konnte ich doch die Zähigkeit in ihm erkennen, den eisernen Willen, den er von dem alten Mann geerbt hatte.
    »Ruslan hätt' euch erschossen.«
    »Klar, das hast du schon gesagt. Du hast eines der Tiere gerettet, stimmt's? Das letzte.« Kolja sah mich an. »Wie viele Eier legt ein Huhn pro Tag?«
    »Woher zum Teufel soll ich das wissen?«
    »Hör mal, Kleiner. Ich gebe dir dreihundert Rubel für das Huhn.«
    »Man hat uns schon tausend geboten. Er hat immer Nein gesagt. Die Hühner bringen uns durch den Winter, hat er gesagt. Was sollen wir mit Rubeln?«
    »Was zu essen kaufen! Der Vogel stirbt genau wie die anderen, wenn du ihn hierbehältst.«
    Der Junge schüttelte den Kopf. Das Reden hatte ihn erschöpft, und seine Lider sanken tiefer herab.
    »Na schön, wie wäre es damit? Gib mal her«, sagte Kolja zu mir und riss mir den Bücherei-Lebkuchen aus der Hand. Dann holte er sein letztes Scheibchen Wurst und die dreihundert Rubel heraus und legte dem Jungen alles auf den Schoß.
    »Mehr haben wir nicht. Hör mir jetzt gut zu. Wenn du hier bleibst, wirst du heute Nacht sterben. Du musst was essen und du musst vom Dach weg. Wir bringen dich runter zu den Mädchen im fünften Stock und ...«
    »Die kann ich nicht leiden.«
    »Du musst sie ja nicht gleich heiraten. Wir geben ihnen das Geld, und die geben dir Suppe und lassen dich ein paar Tage bei sich wohnen, bis du wieder bei Kräften bist.«
    Der Junge hatte kaum noch die Kraft, schwach den Kopf zu schütteln, aber es war klar, was er sagen wollte. Er ging hier nicht weg.
    »Willst du dableiben, um den Vogel zu beschützen? Womit willst du ihn verdammt noch mal füttern?«
    »Ich bleib wegen Ruslan.«
    »Lass die Toten ihre Toten begraben. Du kommst jetzt mit.«
    Der Junge begann den Mantel aufzuknöpfen. Er hielt das braun gefiederte Huhn an die Brust gedrückt wie einen trinkenden Säugling. Es war das armseligste Huhn, das ich je gesehen habe, verdreckt und benommen. Ein gesunder Spatz hätte es bei einem Zweikampf in Stücke gerissen.
    Er hielt Kolja das Huhn hin, der es anstarrte, nicht wusste, was er tun oder sagen sollte.
    »Nimm's«, sagte der Junge.
    Kolja blickte kurz zu mir und dann wieder zu dem Jungen. Ich hatte ihn noch nie so perplex erlebt.
    »Ich hab sie nicht durchgebracht«, sagte der Junge. »Im Oktober waren es sechzehn. Jetzt ist nur noch das da übrig.«
    Wir hatten das Huhn unbedingt haben wollen, aber als der Junge es jetzt umsonst anbot, schien das irgendwie nicht richtig zu sein.
    »Nimm's«, sagte der Junge. »Ich will's nicht mehr.«
    Kolja nahm das Huhn aus den Händen des Jungen, hielt es ein Stück von sich weg, da er offenbar Angst hatte, es könne ihm mit den spitzen Krallen das Gesicht zerkratzen. Doch das Huhn hatte keine Wildheit mehr in sich. Es hockte schlapp auf Koljas Handflächen, zitterte vor Kälte und starrte dumpf ins Leere.
    »Du musst es warm halten«, sagte der Junge.
    Kolja machte den Mantel auf und schob das Huhn darunter, wo es zwischen den wollenen Schichten kauern konnte und dennoch genug Luft bekam.
    »Geht jetzt«, sagte der Junge.
    »Komm mit«, versuchte ich es zum letzten Mal, obwohl ich wusste, dass es zwecklos war. »Du solltest jetzt nicht allein sein.«
    »Ich bin nicht allein. Geht endlich.«
    Ich sah Kolja an, und er nickte. Wir gingen auf die schiefe Tür zu. Auf dem Weg hinaus drehte ich mich noch einmal nach dem Jungen um, der stumm in seinem Damenmantel dasaß.
    »Wie heißt du?« »Vadim.«
    »Vielen Dank, Vadim.«
    Der Junge nickte, die Augen zu blau, zu groß für das blasse, ausgemergelte Gesicht.
    Wir ließen ihn in dem Hühnerstall zurück, allein mit dem toten alten Mann und den leeren Käfigen, der schwach brennenden Lampe, dreihundert

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