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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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ein.
    »Wir müssen genau den richtigen Moment erwischen«, sagte er.
    Wir drückten uns an den dicken Lärchenstamm, geduckt und reglos, hielten den Atem an, als die ersten deutschen Soldaten keine zwanzig Meter entfernt vorbeikamen.
    Keiner hatte sich bemüht, meine Meinung einzuholen, was verständlich war, denn ich hatte die ganze Zeit den Mund nicht aufgemacht und keinerlei Vorschläge unterbreitet. Seit ich zur Tür der Pelztierjägerhütte hinausgerannt war, hatte ich kein Wort gesagt, und nun war es zu spät.
    Mir gefiel keine der beiden Alternativen. Die Sache mit einer Schießerei zu entscheiden mochte für einen Guerillakämpfer wie Markow schön und gut sein, aber ich war für ein Selbstmordkommando nicht gerüstet. Uns als Gefangene auszugeben schien mir eine bizarre Fehleinschätzung zu sein - wie lange überlebten denn Gefangene damals? Wenn ich gefragt worden wäre, hätte ich dafür plädiert, entweder wegzulaufen, obwohl ich nicht sicher war, ob ich überhaupt noch weit laufen konnte, oder auf den Baum zu klettern und zu warten, bis die Deutschen unter uns vorbeigezogen waren. Uns in den Ästen zu verstecken schien mir eine imm er bes sere Idee zu sein, als das vordere Ende der Gebirgsjägerkompanie vorbeizog, ohne uns zu entdecken.
    Als die ersten Reihen russischer Gefangener an unserem Baum vorbeiwankten, nickte Vika Markow zu. Er holte tief Luft, ging vor bis zum Rand der Lärche und warf die Handgranate, so weit er konnte.
    Von meinem Platz aus konnte ich nicht feststellen, ob einer der Deutschen die durch die Luft fliegende Handgranate bemerkte. Jedenfalls hörte ich keine warnenden Rufe. Die Granate landete mit einem gedämpften Rums dreißig Meter weiter im Schnee. Ein paar Sekunden lang war ich überzeugt, dass sie ein Blindgänger war, bis sie dann mit so viel Wucht explodierte, dass durch die Erschütterung der Schnee von den Lärchenästen auf uns niederprasselte.
    Alle in der Kolonne, Gebirgsjäger und Gefangene gleichermaßen, duckten sich einen Moment lang vor Schreck und blickten nach links, wo eine große Schneefontäne in die Höhe geschossen war. Wir schlüpften aus dem Schutz des Baumes und gingen unbemerkt auf die abgerissene Menge der Russen zu, während die deutschen Offiziere Befehle zu brüllen begannen, den Wald auf der anderen Seite mit ihren Feldstechern absuchten, in den Bäumen nach Heckenschützen spähten. Wir waren unseren gefangen genommenen Landsleuten jetzt ganz nah: noch fünfzehn Meter, vierzehn, dreizehn, traten leise auf, widerstanden dem Drang, das letzte Stück zu rennen. Die Deutschen glaubten, etwas weiter weg eine Bewegung in den Büschen zu sehen; es gab lautes Geschrei und Anweisungen, Finger deuteten, Soldaten warfen sich auf den Bauch, bereit, im Liegen zu schießen.
    Bis sie merkten, dass sich links kein Feind befand, waren wir von rechts eingesickert. Einige Gefangene bemerkten, wie wir zu ihnen stießen. Sie ließen keine Geste der Kameradschaft oder des Willkommens erkennen. Es schien sie nicht zu überraschen, dass sich vier Neue ihren Reihen angeschlossen hatten; die Gefangenen, Soldaten wie Zivilisten, waren so erledigt, dass sie es vermutlich für ganz natürlich hielten, dass Russen aus den Wäldern auftauchten und sich heimlich dem Feind ergaben.
    Alle Gefangenen waren Männer, von kleinen Buben mit Zahnlücken und Rotznasen, die gefroren an ihren Oberlippen klebten, bis hin zu alten Männern mit krummem Rücken und weißen Bartstoppeln auf den Wangen. Vika hatte ihre Kaninchenfellmütze noch tiefer heruntergezogen; in ihrem formlosen Tarnanzug sah sie praktisch wie ein junger Bursche aus, sodass niemand sie sich genauer anschaute.
    Mindestens zwei der russischen Soldaten hatten keine Stiefel, nur zerrissene Wollsocken, um ihre Füße warm zu halten. Die Deutschen hielten ein Paar filzgefütterte Lederstiefel der Roten Armee für das große Los, da sie viel wärmer und strapazierfähiger waren als ihr eigenes Schuhwerk. Die Wollsocken der Männer müssen vom geschmolzenen Schnee patschnass gewesen sein. Wenn die Temperatur fiel und die Socken gefroren, würden die beiden Eisblöcke an den Füßen mitschleppen müssen. Ich fragte mich, wie weit sie wohl noch gehen konnten, wie viele Kilometer, wenn sich die Taubheit von den Zehen zu den Waden und bis zu den Knien ausbreitete. Ihre Augen waren so abgestumpft und teilnahmslos wie die Augen der Zugpferde, die Schlitten durch die schneebedeckten Straßen von Piter zogen, bevor die Lebensmittel

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