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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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mussten, einen Stolperdraht zu berühren, eine Mine zur Explosion zu bringen. Es muss verlockend gewesen sein wegzulaufen, aber sie wären keine drei Schritte weit gekommen, bevor die Deutschen sie erschossen hätten.
    Niemand ging neben dem Mann, der Markow denunziert hatte. Er war infiziert, ein Aussätziger. Er führte lange Selbstgespräche, leise und für andere unverständlich, während seine Augen nach links und nach rechts huschten, da er mit Vergeltungsmaßnahmen rechnete.
    Ich war ein Dutzend Männer hinter ihm, schlurfte zwischen Kolja und Vika durch den Schneematsch. Wenn einer der Gefangenen so laut redete, dass die Soldaten es hören konnten, schnarrte einer auf Deutsch: »Maul halt en!« Keiner brauchte einen Dolmetscher, um zu verstehen, was gemeint war, und der betreffende Russe hielt sofort den Mund, zog den Kopf ein und ging ein wenig schneller. Dennoch war es möglich, ein Gespräch zu führen, du musstest nur ganz leise sprechen und immer ein Auge auf die Wachen haben.
    »Tut mir leid wegen deinem Freund«, wisperte ich Vika zu. Sie ging einfach weiter, ohne zu antworten oder zu er kennen zu geben, dass sie mich gehört hatte. Ich dachte, ich hätte sie vielleicht gekränkt.
    »Er war sicher ein guter Mensch«, fügte ich hinzu. Beide Sätze waren absolut banal, die Art von Sentimentalität, die du bei der Beerdigung eines entfernten Verwandten heuchelst, den du eigentlich nie gemocht hast. Ich konnte es ihr nicht verübeln, dass sie mich ignorierte.
    »Das war er nicht«, sagte sie schließlich. »Aber ich mochte ihn trotzdem.«
    »Man sollte den Verräter aufknüpfen«, flüsterte Kolja, den Kopf tief gesenkt, damit seine Stimme nicht weit trug. Er betrachtete finster den Rücken des Denunzianten. »Ich könnte ihm mit bloßen Händen den Hals umdrehen. Ich weiß, wie das geht.«
    »Vergiss es«, sagte Vika. »Der Kerl ist ohne Bedeutung.«
    »Für Markow war er von Bedeutung«, sagte ich.
    Vika blickte zu mir hoch und lächelte. Es war nicht das kalte raubtierhafte Lächeln, das ich bis dahin gesehen hatte. Meine Bemerkung schien sie zu überraschen, als hätte sie gerade einen Mongolen fehlerlos Für Elise pfeifen hören.
    »Ja, für Markow war er von Bedeutung. Du bist schon ein komischer Kauz.«
    »Warum?«
    »Der hat's faustdick hinter den Ohren«, sagte Kolja und gab mir einen liebevollen Knuff in die Nieren. »Aber er spielt ganz anständig Schach.«
    »Wieso bin ich ein komischer Kauz?«
    »Markow ist unwichtig«, sagte sie. »Ich bin unwichtig. Du bist unwichtig. Wichtig ist einzig und allein, dass wir den Krieg gewinnen.«
    »Nein«, sagte ich, »da bin ich anderer Meinung. Markow war wichtig. So wichtig wie ich und so wichtig wie du. Und darum müssen wir gewinnen.«
    Kolja zog die Augenbrauen hoch, beeindruckt, dass ich der kleinen Fanatikerin die Stirn bot.
    »Ich bin ganz besonders wichtig«, verkündete er. »Ich schreibe nämlich den großen Roman des zwanzigsten Jahrhunderts.«
    »Ihr zwei seid ja fast ineinander verliebt«, sagte sie. »Ist euch das klar?«
    Die makabre Prozession erschöpfter Männer war vor uns ins Stocken geraten, dann zum Stillstand gekommen, während die verunsicherten Gefangenen herauszufinden versuchten, warum es nicht weiterging. Einer der beiden russischen Soldaten, die keine Stiefel trugen, war stehen geblieben. Andere Männer aus seiner gefangen genommenen Einheit baten ihn weiterzugehen, flehten und fluchten. Er schüttelte den Kopf, sagte kein einziges Wort, die Füße im Schnee wie angewurzelt. Ein Freund versuchte ihn weiterzuschieben, aber es war zwecklos; er hatte sich entschieden. Als die Gebi rgsj äger herbeieilten, ihre Maschinengewehre schwenkten und auf Deutsch herumbrüllten, rückten die Männer der Roten Armee widerwillig von ihrem todgeweihten Kameraden ab. Er lächelte die Deutschen an und hob spöttisch die Hand zum Nazigruß. Ich blickte gerade noch rechtzeitig weg.
    20
    Eine Stunde vor Sonnenuntergang hielt die Kompanie bei einem abweisenden Backsteinschulhaus an, einem jener Volksprojekte, die während des zweiten Fünfjahresplans gebaut wurden, mit Bleiglasfenstern, so schmal wie mitte l alterliche Schießscharten. Über dem Eingang stand in sechzig Zentimeter hohen Bronzelettern Lenins berühmter Satz: GEBT UNS EIN KIND FÜR ACHT JAHRE UND ES WIRD FÜR IMMER EIN BOLSCHEWIK SEIN. Einer der russophonen Eroberer hatte mit weißer Farbe, die getropft hatte, bevor sie getrocknet war, daruntergemalt: GEBT UNS EURE KINDER FÜR ACHT

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