Dave Duncan
loswerden – aber der Weg war von diesen Damen versperrt, die auf der Kante ihrer Rosenholzstühle saßen, durch Kel, den Lakaien, und den Servierwagen, beladen mit Tante Kades feinstem Porzellan und ihrer großartigen, enormen silbernen Teemaschine, die wie üblich den ekelhaften Gestank nach brennendem Walöl abgab… Und dann hatte sich Tante Kade erhoben, und auch all die anderen, und es war zu spät.
Tante Kades dralles Gesicht rötete sich und nahm den gereizten Ausdruck an, den Inos in diesen Tagen so oft provozierte. Ob sie sie nun willkommen oder schelten sollte… Vermutlich grübelte sie auch über Fragen des Protokolls und das schäbige braune Wollkleid. Dann traf sie ihre Entscheidung.
Sie strahlte. »Inosolan, Liebes! Wie schön, daß du dich zu uns gesellen kannst! Darf ich dir diese Damen vorstellen? Mistress Jiolinsod, Mistress Ofazi…«
Inos hatte das Gefühl, als sei ihr Kopf verschwunden und aus dem Fenster geschwebt, und zwang sich ein Lächeln auf die Lippen. Sie verbarg die Seide mit der linken Hand hinter ihrem Rücken und reichte jeder der albern lächelnden Matronen ihre rechte Hand. Es war ein sensationeller sozialer Erfolg, zu einer von Prinzessin Kadolans Teeparties eingeladen zu werden, und Prinzessin Inosolan kennenzulernen war vermutlich eine blöde Ehre.
Besonders, wenn die Prinzessin ihr schäbiges braunes Wollkleid trug, königlich verziert – zumindest am rechten Ärmel – mit silbernen Spinnweben. O Grauen! Vermutlich waren auch Spinnweben in ihrem Haar und auf ihrem Gesicht, während die Damen der Gesellschaft alle in ihre besten Kleider und Hüte gekleidet waren und behangen mit jedem Schmuckstück, das sie besaßen, oder, was wahrscheinlicher war, hatten borgen können.
Stiefel auf der Treppe! Aufheulend riß sich Inos von der vierten Dame los und wich von der Tür zurück.
Ihre Tante rügte zischend diese Taktlosigkeit. »Inos!«
Und dann flog die Tür auf, und ein Mann erschien im Türrahmen – ein älterer Mann, groß und mit krummem Rücken. Er verschränkte seine Arme und richtete sich auf, und sein Blick schweifte durch das Zimmer. Inos hatte ihn nie zuvor gesehen, da war sie sich sicher, dennoch hatte er gewußt, wie sie aussah. Er hatte ein ausgezehrtes Gesicht, mit einer krummen Adlernase und bösen blauen Augen. Tiefe Falten hatten sich an beiden Seiten seines Mundes eingegraben und betonten die Nase und das starke Kinn. Weißes Haar lugte unter der braunen Kapuze seines Umhangs hervor. Seine Kleidung zeigte Spuren von Spinnweben.
»Doktor Sagorn!« rief Tante Kade entzückt aus. »Wie schön, daß Ihr uns Gesellschaft leisten könnt! Darf ich…« Ihre Stimme versiegte, als sie sah, wie grimmig der Neuankömmling ihre Nichte anstarrte, so daß eben diese Nichte noch weiter zurückwich.
Inos kämpfte gegen eine Welle der Panik und wurde von Entsetzen vor diesem tödlichen Blick übermannt. Ihre Hüften berührten den Servierwagen, und sie konnte nicht weiter zurückweichen. Wo war ihr Vater? Warum war er nicht ebenfalls gekommen?
Und wie um alles in der Welt war dieser unheimliche alte Mann so schnell die Treppen hinuntergekommen? Er mußte schneller gelaufen sein als sie und ihr Vater, dennoch atmete er nicht einmal schnell. So wie sie etwa.
»Inosolan?« Tante Kades Stimme klang irritiert. »Was hältst du da hinter deinem Rücken versteckt, Liebes?«
Sie öffnete ihren Mund, aber kein Laut kam heraus.
»Seide!« sagte der furchterregende Sagorn. »Seide mit gelben Drachen.«
Ein Zauberer!
Inos schrie entsetzt auf und wirbelte herum, um zu fliehen.
Der Servierwagen kippte um, und Kuchen und Wein flogen in alle Richtungen.
Tante Kades außergewöhnliche und riesige silberne Teemaschine schien die Mauern des Schlosses zu erschüttern, als sie mit ohrenbetäubendem Krachen auf den Boden fiel. Der Tee ergoß sich über die Hälfte der anwesenden Damen.
Taumelnd trat Inos einen cremigen Schokoladenkuchen in den Teppich und fiel beinahe hin. Dann sauste sie hinaus, die Treppen hinunter, und ließ Tante Kades vormittäglichen Salon in Trümmern und Verwirrung hinter sich.
4
Inos heulte vor Panik auf und floh die restlichen Stufen hinunter; sie raste durch das Wartezimmer, das Gewandzimmer, das Besuchszimmer und das Thronzimmer, platzte in die große Halle und erschreckte dort einige kleine Kinder, die bereits zu Mittag aßen. Draußen rannte sie über die Terrasse, sie war sich gar nicht sicher, wohin sie überhaupt laufen sollte. Aufgescheuchte
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