Dave Duncan
Kobold in einer hüfthohen Schneewehe wälzte, weit draußen.
Die alte Frau starrte in die Richtung, dann lachte sie schrill ihr seniles Lachen. »So ist das also! Nun gut. Aber Ihr paßt auf ihn auf, hört Ihr! Sehr kostbar ist er! Versteht, Ihr werdet ihm nichts tun!«
Er? Rap? Little Chicken etwas tun? Die Frau war total verrückt.
Rap nahm all seinen Mut zusammen, versuchte, die Herde zu erspüren und stellte fest, daß sie verschwunden war. Köter befand sich schon auf dem Rückweg. Das Abendessen war also geflohen, und er erinnerte sich daran, daß er hungrig gewesen war, als er diese merkwürdige Zauberin das erste Mal gesehen hatte. Während er sie beobachtete, verschwand sie langsam, und seine Sehergabe hatte sie bereits verloren. »Ich bin hungrig!« sagte er. »Ich meine, Death Bird ist hungrig!«
Sie schien einen Augenblick lang wieder greifbarer zu werden und betrachtete ihn argwöhnisch, den Kopf auf die Seite gelegt. »Faune!« schnaubte sie. Dann stieß sie ein schrilles, kindliches Kichern aus und klatschte in die Hände.
Gleichzeitig verschwand sie, und ein schwarzes Schaf mit gebogenen Hörnern schlug direkt vor Raps Füßen dumpf auf den Boden. Der Aufprall erschütterte die Hütte, und eine große Wolke aus Staub und Schnee stob unter dem Tier nach allen Seiten. Mit einem Angstschrei rappelte es sich auf. Es gab überhaupt keinen Zweifel, daß das Schaf echt war.
Nach ihrer Warnung wagte es Rap nicht, seine Fähigkeiten bei dem Tier anzuwenden, und er zitterte immer noch so sehr, daß er länger als nötig brauchte, es in die Ecke zu treiben. Das Durchschneiden der Kehle mit einem Steinmesser war schwieriger, als er gedacht hatte. Er vergoß viel Blut über sich selbst und wurde mehrere Male mit den Hörnern gestoßen. Doch warum ein schwarzes Schaf? Hatte die verrückte alte Zauberin es im verschneiten Unterholz am besten sehen können, oder machte sie sich wegen der Koboldtätowierungen einen Scherz mit einem Faun? Rap war zu hungrig, also war es ihm egal.
Er aß gebratenes Lamm, als Little Chicken zurückkam, mit leeren Händen, erschöpft und wütend. Aber zum ersten Mal schien der Kobold von Raps okkulten Kräften beeindruckt.
4
Der Fond der Kutsche schlug mit lauterem Krachen als sonst auf den Boden und schlingerte nach links. Bebend kam die Kutsche zum Stehen.
»Seid Ihr in Ordnung, Hoheit?« erkundigte sich Andor besorgt. Er und Inos waren angenehmerweise zusammengedrückt worden, während sie unter der Decke Händchen hielten, doch Tante Kade lag jetzt über ihnen und hielt sich verbissen an einem Halteriemen fest.
»Es geht schon, danke, nur meine >Hoheit< ist jetzt ein wenig spürbarer als üblich.«
Andor lachte würdevoll. »Ich werde sehen, was diesmal passiert ist.« Er entwand seine Finger Inos’ Hand und machte sich ans Aussteigen. Von draußen waren laute Rufe und nervöse Pferde zu hören. Wasser klatschte auf das Dach, obwohl es so ausgesehen hatte, als würde der Regen langsam zu Schnee. Andor öffnete die Tür und stieg anmutig aus, wobei er sowohl seinen Degen als auch den Umhang mit graziöser Leichtigkeit handhabte. Kade kletterte auf die gegenüberliegende Bank, um sich neben ihre Nichte auf die niedriger gelegene Seite des schräg liegenden Gefährts zu setzen. Sie nahm auf der Sitzbank wesentlich mehr Platz ein als Andor.
Ihrem zunächst raschen Fortkommen war jetzt ein Ende gesetzt. Auf den geraden, ebenen Straßen des Impire war die Kutsche beinahe so schnell entlanggedonnert wie ein Reiter, doch jetzt waren sie in den Bergen. Das Wetter war inzwischen trübe, und die Straße wand sich den Berg hinauf und war bald nicht breiter als eine Wagenspur. Ackerland und Wiesen waren dem Wald gewichen, und der Weg war schwierig, denn oft griffen die Äste der Bäume wie Finger nach der Kutsche.
Seit der abstoßende Yggingi mit seinen Männern aufgetaucht war, hatte Inos große Angst. Der Gedanke, daß zweitausend imperiale Soldaten über Krasnegar herfallen sollten, war entsetzlich – ganz besonders, wenn es um diese Truppen ging. Sie konnte sich daran erinnern, daß man ihr in Kinvale erzählt hatte, das örtliche Militär sei ein verachtenswerter Haufen, nicht zu vergleichen mit dem Elitekorps bei Hub, und daß eine Stationierung auf einem entlegenen Posten wie Pondague als Demütigung galt oder gar als Strafe, die nur Aufrührern und dem Abschaum der Armee zuteil wurde. Prokonsul Yggingi war ein Aufrührer und Abschaum, nach Inos Ansicht, aber das hatte sie
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