Dave Duncan
grünen Kiste, Prokonsul. Wenn Ihr so gut wärt, sie herunterholen zu lassen, dann können wir uns in der Kutsche umziehen.«
Schließlich lächelte Yggingi – ein schauriger Anblick. »Und wir können das Wrack hier lassen. Wir sollten morgen in Pondague sein, und dann könnt ihr mit dem Schlitten weiterreisen.«
Tante Kade strahlte ihn unschuldig an. »Oh, ich glaube, wir können im Wald reiten, wenn wir müssen. Ich bin ein wenig aus der Übung, muß ich zugeben, aber früher war ich eine begeisterte Reiterin.«
Ihrer Figur würde es nicht schaden, dachte Inos, und ein Pferd konnte nicht ermüdender sein als die klapprige Kutsche.
Yggingi wollte etwas sagen, hielt jedoch plötzlich inne und starrte in die Bäume. »Was war das?«
Andor runzelte die Stirn. »Ich meine auch, etwas gehört zuhaben.«
Inos hatte nichts gehört, doch ihre Haut kribbelte – auch die Pferde hatten die Ohren aufgestellt. Der Prokonsul verlangte bellend nach Ruhe, und bald war nur ein stetiges Tröpfeln zu hören und das ruhelose Stampfen von Hufen.
»Da ist es wieder«, sagte Yggingi, und diesmal hatte Inos es auch gehört.
»Kobolde?« fragte sie nervös.
»Sie schreien nicht. Sie bleiben beim Laufen ganz ruhig. Wenn ich damit gerechnet hätte, die geringste Spur von Kobolden zu finden, hätte ich die Hunde mitgenommen.«
Eine entfernte Stimme. »Prinzessin Inosolan!«
Inos sprang auf. Ihr Herz raste.
So leise es auch gewesen war, diesmal hatten es alle gehört – Inos, ihre Tante, Andor, Yggingi und die vielen verdreckten Legionäre.
»Das ist noch weit entfernt!« Andors Gesicht hatte einen sehr ernsten Ausdruck angenommen. Er warf seinen Umhang zurück und legte den Griff seines Schwertes frei.
Yggingi schob sein Schwert erst einmal, dann ein zweites Mal in seiner Scheide hin und her. »Vielleicht doch nicht so weit. Die Bäume dämpfen das Geräusch.«
»Prinzessin Inosolan!« Es gab keinen Zweifel…
Jetzt starrten alle auf den Wald. Tante Kade trat dicht an Inosolan heran und umfaßte ihre Taille, als fürchte sie, sie könne in den Wald laufen, um nachzusehen, wer das war. Nichts war unwahrscheinlicher. Inos zitterte. Yggingis Schwert zischte, als er es aus der Scheide zog.
»Ihr solltet besser zurück zur Kutsche gehen, meine Damen!« Er rief einen Befehl, und Schwerter wurden gezogen, während andere Männer aus wasserdichten Köchern ihre Bogen zückten. Die Arbeit an der Achse mußte warten.
»Nein, wartet!« sagte Inos, als ihre Tante sich in Bewegung setzte. Diese Stimme?
»Prinzessin Inosolan!« Jetzt näher.
Wer? Diese Stimme klang irgendwie vertraut. »Ja?« rief sie. »Inos!« weinte ihre Tante.
Und die Stimme erwiderte: «Ich bin’s, Rap!«
Rap? Rap wer? Rap?
»Nein!« Das war doch nicht möglich.
»Zurück in die Kutsche!« Andor zog sein Schwert. »Das muß ein Dämon sein, glaube ich. Was meint Ihr, Prokonsul?«
Yggingis Augen waren nur noch Schlitze. »Ich habe noch keine Walddämonen getroffen. Altweibergeschichten!« Er legte seine Hände um den Mund und rief. »Kommt heraus und zeigt Euch!
»Sagt Euren Männern, sie sollen ihre Bogen runternehmen!« Die Stimme war jetzt viel näher, trotzdem war niemand zu sehen. »Ich bin allein und unbewaffnet.«
»Das muß ein Dämon sein!« beharrte Andor. »Sie können das Aussehen von jedem Menschen annehmen – sehr gefährlich, einem Dämon zu vertrauen.« Er wirkte aufgeregter als alle anderen. Seine Stimme war beinahe schrill. Irgendwie war das erstaunlich.
Yggingi schien ebenfalls dieser Meinung zu sein. Er beäugte Andor neugierig, dann befahl er seinen Männern, die Bogen zu senken. »Kommt heraus!« bellte er lauter als nötig.
Hinter dem rechten Baum vor ihnen trat ein Mann hervor. Inos hatte keine Ahnung, wie er ihnen so nah hatte kommen können, ohne gesehen zu werden, aber er war da – ein schlanker, junger Mann in verdreckter Lederkleidung, der seine leeren Hände hochhielt, um zu zeigen, daß er keine Waffen trug. Er atmete schwer.
»Inos!«
Rap!
Er war gewachsen – größer und breiter. Seine Kleidung war unglaublich schmutzig und sein Gesicht unwahrscheinlich rußig, besonders um die Augen. Es wirkte fettig, und der Regen rann in Tropfen darüber. Es sah viel dünner aus, als sie es in Erinnerung hatte, ließ seinen Kiefer größer erscheinen als je zuvor und seine Nase viel breiter. Er hatte einen jugendlich dünnen Schnurrbart und einen Stoppelbart. Er trug keine Kopfbedeckung, sein braunes Haar hing ihm zottig
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