Dave Duncan
stand am Himmel. Dort tanzte blasse Morgenröte wie ein gigantischer Riese, als Rap und Little Chicken aus einem der Häuser am Strand heraustraten, gähnten und verschlafen zitterten. In dem trüben Licht konnte man kaum die eigenen Füße erkennen.
Rap nahm ein paar tiefe Züge der eiskalten Luft und genoß den vertrauten, salzigen Geschmack nach Meer und das entfernte Rauschen der Flut, die gegen das Eis kämpfte. Dann wandte er sich an seinen Gefährten. Er hatte sein Angebot schon am Waldrand gemacht, doch jetzt versuchte er es noch einmal.
»Ich lasse dich frei, Little Chicken. Du hast mir alles, was du mir schuldest, mehrfach zurückgezahlt. Geh zu deinem Volk zurück.« »Ich bin dein Abschaum«, sagte das sture Flüstern aus der Dunkelheit. »Ich kümmere mich um dich.«
»Du kannst mir hier nicht helfen! Ich bin in großer Gefahr, aber du kannst nicht helfen, und auch du wirst in Gefahr geraten. Geh, mit meiner Dankbarkeit.«
»Ich kümmere mich um dich. Später töte ich dich.«
Also hatten die Götter das Signal noch nicht gegeben. Rap zuckte die Achseln. »Vielleicht mußt du schnell sein, wenn du der erste sein willst. Dann komm.«
Er begann zu laufen. Als sie den Damm erreichten, war er jedoch gezwungen, zu gehen und sich ganz nach seiner Sehergabe zu richten, und manchmal mußte Little Chicken ihn an der Schulter festhalten, um in der Dunkelheit, die so undurchdringlich war wie unter einer Decke, nicht verloren zu gehen. Sie hatten den halben Weg schon hinter sich, als Rap wieder an die Bären dachte. Es war eine schlechte Zeit für sie, aber er hatte inzwischen so viel Vertrauen in seine Gabe, daß er sicher war, daß niemand in der Nähe auf sie lauerte.
Es war ein harter Winter gewesen. Unter dem Eis war den Steinen viel Schaden zugefügt worden, was jedoch sonst niemand wissen konnte.
Irgendwo hinter ihnen, in den Sümpfen, lagerte die Armee der Imps. Rap war ihnen die ganze Zeit einige Tage voraus gewesen, und die Reise war weitaus schlimmer gewesen als der Weg nach Süden. Zwar biß die Kälte weniger gnadenlos, doch der Schnee war tiefer und unnachgiebiger und die Winde stärker. Schlimmer noch, Rap und Little Chicken reisten als Boten der Katastrophe, als krächzende Raben, die den Krieg vorhersagten. Die Imps hatten jedes Kobolddorf an der Straße niedergebrannt. Wären sie nicht vorher gewarnt worden, wären die Einwohner ganz zweifellos einem Massaker zum Opfer gefallen. Die Bewohner des ersten Dorfes waren gestorben, alle, vom alten Mann bis zum Neugeborenen. Inos Rückreise in ihr Heimatland war von Rauchsäulen markiert, von Frauen und Kindern, die in die Ödnis flohen, von kostbaren Vorräten, die geplündert wurden, von grundloser und unnötiger Verwüstung. Der Anführer der Imps, der mit dem reichverzierten Helm, war offensichtlich ein Wahnsinniger. Was er zu gewinnen hoffte, konnte Rap nicht erahnen, genauso wenig, warum Inos es gestattete. Er konnte nur annehmen, daß sie nicht die Macht hatte, der Zerstörung Einhalt zu gebieten.
Nach ihr war die Wagenstraße nach Pondague abgeriegelt worden, denn in Zukunft würden die Kobolde keine Reisen mehr dulden. Jetzt konnte keine Macht, die nicht weniger als eine ganze Armee umfaßte, die Taiga durchqueren. Auch Züge mit Vorräten konnten im Sommer nicht mehr dort passieren. Krasnegar würde leiden, und das Leben würde noch härter werden als bisher. Wahnsinn!
Nur einmal waren Rap und Little Chicken vom Wege abgewichen. Sie hatten eine großen Bogen um RavenTotem gemacht und die Warnungen durch Koboldboten verbreiten lassen und waren doppelt so schnell und ohne Pause gelaufen, um die Armee auf der gegenüberliegenden Seite zu überholen.
Jetzt war er zu Hause. Nach der mühevollen Arbeit auf dem Damm trat Rap auf die dunkle und verlassene, vom Wind saubergefegte Hafenstraße. Er legte den Riegel vor dem Tor zurück. Diese Tore würden weiße Bären zurückhalten, nicht aber Imp-Legionäre. Drinnen begann er aus alter Gewohnheit zu traben, Little Chicken und Köter klebten dabei an seinen Fersen. In ungefähr einer Stunde würde die Sonne aufgehen. Bald würde in der Stadt rege Betriebsamkeit herrschen. Er hielt auf die nächste Treppe zu.
Was wollte die Imp-Armee in Krasnegar? Kam sie, um Inos auf den Thron zu setzen und sie gegen die Jotnar zu verteidigen, oder kam sie, um zu plündern? Würde sie mit der Stadt so umgehen wie mit den Kobolddörfern? Natürlich würde sie nicht vor dem Schloß haltmachen, und dort gäbe es
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