Dave Duncan
daher gierig ganze Eimer voll der abscheulichen Brühe in sich hinein. Zumindest konnte er sicher sein, daß die Gnome es nicht als Badewasser benutzt hatten. Schließlich sank er auf seinen Hosenboden und wischte sich mit einer Hand das Gesicht ab, und ihm wurde klar, daß er nun in der Tinte saß. Was zum Teufel machte das schon aus?
Sein zweites Wort der Macht hatte ihm anscheinend eine gewisse okkulte Fähigkeit verliehen, Schmerzen zu ignorieren, und er argwöhnte, daß er ohne diese Fähigkeit schreien würde. Doch er wußte, daß der Schmerz existierte – in seinen gepeinigten Füßen, seinen Gelenken, seinen Muskeln –, aber der Zwang war endlich verschwunden, der Bann gebrochen, und schon der Akt des Hinsetzens ließ eine Welle der Müdigkeit über Rap hinwegfluten, die ihn beinahe sofort in Schlaf versetzt hätte. Doch sobald seine Aufmerksamkeit nachließ, kam der Schmerz zurück. Er setzte sich gerade hin, unterdrückte den Schmerz und starrte mit trüben Augen den Jungen an, der ihn hierher geführt hatte. »Ich bin Rap.« Der Junge kicherte. »Hast du keinen Namen, Jungchen?« Der Junge zog seinen Finger lange genug aus der Nase, um Ugish zu sagen und zu kichern. Er hatte mehr Zähne als ein Hecht. Und schärfere.
»Du bist ein Zauberer, Ugish?«
Breiteres Grinsen und Kopfschütteln. Gnome waren am liebsten nachtaktiv, Rap hatte in Durthing einige getroffen. Er hatte sie in Finrain gesehen und auf seinen Reisen nach Milflor. Ihre Augen waren sehr groß und rund und zeigten beinahe kein Weiß. Bei Tageslicht war auch fast keine Pupille zu sehen, nur eine glänzende, schwarze Iris. Ugishs Augen waren groß, aber anders – das Weiße hell inmitten dem Schmutz, und die Iris bronzefarben mit einem intensiven Glanz. Vielleicht gab es ja mehr als eine Art von Gnom.
Nicht alle Bewohner von Krasnegar waren für ihre persönliche Reinlichkeit bekannt gewesen, und einige waren in geschlossenen Räumen berüchtigterweise unbeliebte Gefährten, aber keine andere Rasse schien den Dreck so zu genießen wie die Gnome.
Rap bemühte sich um ein Lächeln. »Wer also – gulp!«
Eine Frau war aus einer Tür getreten und schritt um das Wasserloch herum auf sie zu. Eilig zog Rap die Knie an und schlang die Arme um seine Schienbeine.
Sie war kein Gnom – so groß wie er und erstaunlich gebaut. Zunächst konnte Rap ihre Rasse kaum erkennen. Sie trug ein lockeres Kleid, schmutzig, ärmellos, kurz und so zerrissen, daß es schon unanständig war, aber sie bewegte sich voller Anmut und Grazie. Sie war in jeder Hinsicht genauso dreckig wie der Junge, ihre Hautfarbe war unbestimmbar und ihr langes Haar ein ekelhaftes, schleimiges Durcheinander, das halb über ihren Rücken hing. Dann sah er die schweißdurchnäßten Haarbüschel unter ihren Armen – sie waren hell-golden.
Und ihre Augen! Sie waren sehr groß und standen eigenartig schräg; die Iris schimmerte in allen Feuern des Regenbogens wie Opal oder Perlmutt. Also war wohl auch ihre Haut golden; sie war eine Elfin. In Milflor und Finrain hatte er einige Male kurz ein paar Elfen gesehen, aber niemals aus der Nähe. Ihr Alter konnte er nicht schätzen, aber er fand, sie könnte sehr schön sein, wenn sie nur sauber wäre.
Das erklärte auch Ugishs Augen, obwohl er noch nie zuvor von einem Gnom-Halbblut gehört hatte.
Rap umfaßte seine Knie fester, als sie stehenblieb und in seine Richtung einen Knicks andeutete.
»Ich bin Athal’rian.« Sie lächelte abwesend, so daß in der Schicht auf ihrem Gesicht feine Risse entstanden, und kratzte sich abwesend am Kopf.
»Ich bin Rap, Ma’am. Ich… ich habe keine Kleider.«
Sie runzelte die Stirn. »Oh, aber… Nun, Ugish, gib ihm erst einmal deine.«
Grinsend löste der Junge den Lumpen und hielt ihn Rap hin, der vor lauter Ekel zurückschreckte. Rap hätte sie normalerweise nicht einmal mit einem langen Stock berührt, doch er wollte seine Gastgeber nicht beleidigen. Eigentlich waren Gnome zurückhaltend und friedfertig, aber sicher hatten sie Gefühle wie jeder andere, und Elfen hatten ganz gewiß welche.
Also nahm er die zerlumpten Überreste an und erhob sich mit aller Würde, die er aufbringen konnte. Glücklicherweise war der Stoff nicht lang genug, um seine Hüften umfassen zu können, also hielt er ihn nur wie ein Handtuch vor sich, ohne seine Haut damit zu berühren. Der Fetzen war für ihn noch weniger angemessen als für Ugish.
Er konnte nichts dagegen tun, daß er schwankte.
Athal’rian
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