Dave Duncan
dazu geführt, daß sie zum Stillstand kamen. Jeder Versuch, Richtung Malfin zu segeln, war verhindert worden; die Straße nach Vislawn hatte offen da gelegen. Hätten sie die Grenzen von Raps Macht erkannt, hätten sie ihn über Bord geworfen.
Jetzt gab es nichts weiter zu tun, als an die Reling gelehnt dazustehen und die hin und her schnellenden Möwen und den schönen Morgen zu bewundern.
»Gott der Wunder«, bemerkte Jalon leise. »Täuschen meine alten Augen mich?«
Rap zuckte zusammen, kehrte aus seinen Tagträumen zurück, und sah einen Elf, der soeben an Deck gekommen war. Direkt hinter ihm erschien ein weiterer. »Wir müssen uns der Stadt nähern«, stellte er fest.
»Das hier ist die Stadt.«
Bänder aus sonnenbeschienenem Wasser zwischen grünen Inseln? Stakenboote und ein paar Schaluppen? »Wo?«.
»Hier.« Jalon machte eine undeutliche Handbewegung. »Elfen blicken lieber auf Bäume als auf Häuser, obwohl die Häuser, die sie verstecken, von allen anderen protzig zur Schau gestellt werden würden. Wir segeln seit mindestens einer Stunde durch die Wohnviertel von Vislawn.«
Rap reckte seinen Hals und sah sich prüfend um. Richtig, überall gab es versteckte kleine Holzhäuser und malerische Geschäfte. Nur wenige hatten mehr als ein Stockwerk, und nur Bootshäuser und einige Lagerhütten verfügten über einen direkten Zugang zum Wasser. Die Allem glitt langsam an einem Strand mit weißem Sand vorbei, wo ein halbes Dutzend goldener Kinder kreischte und planschte. Hinter den Bäumen verborgen lag eine Töpferei aus bunt lasiertem Holz und funkelnden Ziegeln. Ihr hoher Schornstein ragte in einer unmöglichen Spirale gen Himmel.
»Wie viele Inseln?« wollte Rap wissen.
Er hätte es besser wissen müssen. Jalon sah bei dieser Frage total verständnislos drein. »Viele. Warum?«
Sagorn hätte die genau Anzahl gewußt. »Egal. Wenn wir nicht bald den Ankerplatz erreichen, müssen wir hier ankern. Die Ebbe kommt.« Jalon lachte leise. »Dann werden sie Euch bitten, ein wenig Wind herbeizurufen.« Er sah wieder träumerisch über die Landschaft.
Wellen!
Götter!
Rap umfaßte fest die Reling und redete beruhigend auf sein Herz ein. Diese Wellen hatte er beinahe erwartet, doch nur weil er richtig geraten hatte, machten sie ihm nicht weniger angst. Sie hatten sich genauso angefühlt wie die ersten, die Wellen, die ihn beunruhigt hatten, als er mit Sagorn sprach, doch diesmal hatte er sie deutlicher gespürt. Die ganze Welt hatte geglitzert – Meer, Inseln, Schiffe, Gebäude – sowohl vor seinen Augen als auch vor seiner Sehergabe, als beobachte er eine Spiegelung in einer Wasserschale und jemand gebe der Schale einen Schubs. Es hatte nur den Bruchteil einer Sekunde gedauert, aber das hatte gereicht, ihm angst zu machen. Er hatte auch nicht gespürt, woher die Wellen gekommen waren, doch er konnte es ahnen.
Noch mehr Elfen kamen zum Vorschein. Die meisten Imps waren bis zum dritten Tag der Reise seefest geworden, doch bei den Elfen gelang das anscheinend nicht, und Raps einzigartige Fähigkeit, es doch zu schaffen, schien nur ein weiterer Beweis dafür, daß er über Zauberkräfte verfügte. Auf diesem spiegelglatten Kanal jedoch konnte Sir Thoalin’fen in Silber und Seegrün umherspazieren. Fern’soon zeigte ihre wunderbaren Beine unter einem außerordentlich gewagten burgundroten Umhang. Großmutter hin oder her, sie war ein hübsches Mädchen! Jalons goldenes Jotunnhaar war, verglichen mit diesen elfischen Locken, ein verschossener Waschlappen.
Schließlich erschien Quip’, immer noch blaß, aber prächtig in Rosa und Pfauenblau.
Er blieb ziemlich unsicher in der Tür stehen und sah sich suchend nach Rap um. Sehr erleichtert ging er zu ihm hinüber und richtete das safrangelbe Käppchen, das mit einer scharlachroten Feder geschmückt war. Rap verbeugte sich, als Quip’ noch ein paar Schritte von ihm entfernt war. Jalon war in tranceähnliche Kontemplation über eine Schaluppe versunken, die vorbeifuhr und bemerkte nichts, doch Quip’ blieb plötzlich abrupt und verwirrt stehen.
»Warum verbeugt Ihr Euch vor mir, Rap?« »Weil ich glaube, daß Euer Name nicht Quip’ ist, Eure Omnipotenz.«
Eis! Einen Moment lang spürte Rap mehr Angst, als je zuvor in seinem Leben. Dann zwinkerten die Opalaugen, und der Elf trat an seine Seite und legte die Hände auf die Reling. Seine physische Erscheinung veränderte sich nicht im mindesten – er blieb kleiner als Rap und viel dünner, und
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