Dave Duncan
Ilrane ausgeliefert wurde; er glaubte jedoch, daß Lith’rian das als Betrug betrachten würde. Vermutlich würde er diese ganzen Schwierigkeiten nicht auf sich nehmen, nur um an Raps Wort der Macht zu gelangen, also mußte Rap irgendeinen Wert haben, vielleicht war er auch nur ein Unterpfand im Streit um Krasnegar; in diesem Falle war das Spiel noch nicht zu Ende, und Inos war noch am Leben.
Diese Gedanken waren reine Augenwischerei, reichten jedoch aus, ihn vom Grübeln abzuhalten, solange er nicht daran dachte, daß er versuchte, die Absichten eines Mannes zu durchschauen, der seine Tochter mit einem Gnom verheiratet hatte.
Oder er sich fragte, ob die unsichtbare Hand Bright Water gehörte, die Rap brauchte, um Little Chickens Schicksal zu erfüllen. Lith’rian war der Verbündete der Hexe.
Wie auch immer, Rap würde das Schiff so gut er konnte nach Vislawn führen. Den Rest der Zeit würde er in seiner wundervollen Kabine verbringen. Er hatte ein sehr gutes Frühstück genossen. Nie zuvor in seinem Leben hatte er in einem solchen Luxus gelebt.
Und er hatte einen ganzen neuen Zeitvertreib gefunden. Mit seinem neuen eidetischen Gedächtnis konnte er genaue Bilder von Inos und sich selbst aus ihrer gemeinsamen Kindheit heraufbeschwören – Inos zu Pferde, Inos rennend, tanzend, lachend, spielend, laufend. Es war fast so gut, wie sie bei sich zu haben.
3
Irgendwann am zweiten Tag öffnete Inos ihre Augen und sah Kade, die sich über sie beugte und sie besorgt ansah, mit zerzausten weißen Haaren und einem vom Wind geröteten Gesicht. Hinter den Bullaugen lagen blauer Himmel, das Meer, weiße Vögel – und Wellen. Inos schloß ihre Augen hastig wieder.
»Ich hatte gehofft…«, sagte Kade leise. »Der Wind hat sich fast völlig gelegt.«
»Ich habe ein wenig…«
»Falls du über Essen oder Trinken reden willst oder… oh!… Suppe… dann geht alles wieder von vorne los«, sagte Inos fest. Sie hörte ein schwaches Seufzen und ein noch schwächeres Klappern von Porzellan. Undeutliche Geräusche ließen darauf schließen, daß ein Stuhl herangezogen wurde. Sie öffnete ihre Augen gerade in dem Moment, als Kade sich neben dem Bett niederließ.
»Bitte, Tante? Laß mich allein. Vielleicht morgen?«
Doch Kade entstammte einer langen Ahnenreihe von Königen, und manchmal konnte sie unnachgiebig und stur sein. Bedauerlicherweise schien ein solcher Moment soeben gekommen.
»Es gibt da etwas, das du wissen solltest«, sagte sie fest.
»Raus damit.« Bring es hinter dich.
»Ich habe versucht, es Azak zu sagen, aber man hat mich nicht zu ihm gelassen.«
Wie ging es ihm wohl da unten im Kielraum? Azak schwor, daß er das Meer liebte, und doch gingen Djinns normalerweise nur widerwillig aufs Meer. Inos fragte sich, wie es in den Quartieren von Gnomen wohl roch, und sofort wünschte sie sich, sie hätte es nicht getan. Sie knurrte unverbindlich. Sie hatte selbst genug Sorgen. Er war alt genug und konnte auf sich selbst aufpassen.
»Also werde ich es dir erzählen. Dieses Schiff fährt nicht nach Angot.«
Inos drehte ihren Kopf schnell auf dem Kissen zu Seite – zu schnell. »Nicht?«
»Nicht, wenn es nach Süden fährt! Ich bin vielleicht alt, aber ich bin nicht dumm.« Prinzessin Kadolan verlor nur sehr selten die Fassung. Doch dafür mußte soeben die Zeit gekommen sein.
»Du bist nicht alt«, sagte Inos automatisch, während sie versuchte, diese erstaunliche Neuigkeit zu verdauen.
»Trotz der ruhigen See und der sanften Brise ist das hier nicht das Meer der Leiden. Wir sind in der Kerith-Passage.«
»Und wohin fahren wir dann?«
»Ich habe die letzten anderthalb Tage versucht, das herauszufinden. Die Mannschaft und die Offiziere sind äußerst abweisend. Frainish weiß es nicht – ihr hat man gesagt, wir führen nach Qoble –, und ich scheine der einzige Passagier zu sein, der sich noch aufrecht halten kann.«
»Arakkaran?« flüsterte Inos. Es mußte nach Arakkaran gehen.
»Arakkaran, ja. Ich habe gerade die Kabine eines älteren Priesters aufgesucht. Er wollte auch keine Fischsuppe, aber er hat zugegeben, daß er auf dem Weg nach Githarn ist und damit rechnet, daß das Schiff in Torkag anlandet, dann in Brogog und Arakkaran.«
Seekrankheit war nicht besonders vorteilhaft, wenn man klar denken wollte. Die Deckenbohlen zeigten ein sehr welliges, körniges Muster, und wenn Inos sie lange ansah, begannen diese Wellen sich zu bewegen.
Sieh nicht hin, Dummkopf!
»Du bist immer noch
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