Dave Duncan
ausrichten: »Sag Rap, daß ich ihn sehr liebe.«
Am nächsten Tag kam die Antwort: »Rap sagte, das wisse er.« Dann – »Sag Rap, daß ich ihm helfen will.«
Aber – »Er hat gelacht und gesagt, Ihr seid die letzte, die ihm helfen könnte.«
Und das war es, völlig unerklärlich.
Sie fürchtete zwei völlig gegensätzliche Dinge. Zum einen ihre vage Erinnerung an die Nebenwelt, diese unheimliche Halbwelt schattenlosen Nichtseins. Sie argwöhnte, daß Rap dort viel Zeit verbrachte – denn er war sonst nirgendwo zu finden –, und sie hatte Alpträume, daß er darin gefangen sein könnte und sich auf ewig von den Normalsterblichen zurückzog.
Ihre zweite, ganz andere Angst hing mit der Vision des magischen Fensters zusammen, die ihn sterbend in der Koboldhütte gezeigt hatte. War dieses gräßliche Schicksal nun unvermeidbar? Hielt ihn dies davon ab, sie zu sehen? Ihr Urgroßvater war angeblich wahnsinnig geworden, nachdem er in diesem Fenster etwas gesehen hatte. Sollte Rap dasselbe grausame Schicksal erleiden? Doch warum mußte er sich von ihr fernhalten? Die Tage flogen dahin und brachten ihr keine Antworten.
Zwei Nächte vor dem Winterfest kam das große Finale, der Ball des Imperators. Die Gästeliste enthielt Tausende von Namen, doch es gab mehrere Kategorien von Einladungen, und die Festivitäten umfaßten viele Bereiche von unterschiedlicher Pracht. Allein die Hauptveranstaltung umfaßte zwölf Ballsäle, siebzehn Orchester, ständige Vorstellungen, genug gutes Essen, um ganz Zark damit zu ernähren, und hunderttausend Kerzen. Eigaze hatte vollkommen recht gehabt – die Feiern in Kinvale waren im Vergleich dazu eine Kindergeburtstagsfeier.
Seit Tagen waren Gäste und verirrte Schafe in die Stadt geströmt, und unter ihnen waren auch die Imperiale Prinzessin Orosea und ihr Mann, der Herzog von Leesoft. Shandie verschwand kreischend in einem Getümmel aus Cousins und Cousinen, so daß auch er Rap nicht mehr zu sehen bekam.
Schließlich war die große Nacht gekommen, und als seine Imperiale Majestät zur Eröffnung der Promenade eine Partnerin auf die Tanzfläche führte, war die einzige Dame im Reich, die er dazu erwählen konnte, die Königin von Krasnegar. Leesoft und Orosea folgten direkt dahinter.
Der große alte Mann hatte beinahe nichts mehr gemein mit dem Invaliden, den Inos erlebt hatte, als er wie eine Kriegstrophäe herumgetragen worden war. Jetzt hatte er wieder Farbe angenommen, sein Gesicht war voller und menschlicher geworden. Er war so stark wie seit Jahren nicht, und niemand bezweifelte, daß er das Impire so fest wie eh und je in der Hand hatte. Der Disput mit den Zwergen war bereits beigelegt, die Legionen würden Qoble verlassen, sobald die Pässe wieder offen waren. Der Senat hätte das neue Erbfolgegesetz nicht schneller verabschieden können.
Emshandars Haar hatte einen militärischen Schnitt bekommen, und er trug eine Uniform, allerdings eine Maßuniform aus Ziegenleder und Goldfolie, nicht etwa aus Rindsleder und Bronze. Inos trug, wie sie es gewohnt war, Grün, und an diesem Abend war es ein sehr geschwätziger meergrüner Satin, der die ganze Zeit zischelte und flüsterte. Der Schnitt ihres Mieders war der gewagteste im ganzen Saal – nun, zumindest beinahe –, und sie war sich sehr wohl bewußt, daß keine andere sie ausstechen konnte. Es war der Höhepunkt ihres Jahres und der gesellschaftlichen Saison in Hub. In drei kurzen Wochen hatte sie die Hauptstadt des Impires erobert, und dieser Abend war ihr Abend. Zwar würde sie weiterziehen, um sich als Königin von Krasnegar bestätigen zu lassen, doch selbst wenn sie in Hub blieb, konnte sie nicht damit rechnen, Königin der Hauptstadt zu bleiben. In einem Monat würde jemand anderes regieren.
Ehre währte nur vorübergehend, die Jugend war vergänglich, doch heute war ihre Nacht.
Die Hälfte aller jungen Männer des Impires war bereit, ihr zu Füßen zu liegen, und der einzige Mann, den sie wollte, war nicht da.
Emshandar lächelte sie wohlwollend an, als sie mit der Prozession begannen. »Ich bin doch immer wieder erstaunt«, sagte er humorig, »wie weibliche Schönheit es stets erneut schafft, über die schlimmsten Auswüchse des Schneiderhandwerks zu triumphieren!«
Inos schenkte ihm ein mädchenhaftes Erröten – das konnte sie inzwischen recht gut. »Eure Majestät sind äußerst anmutig.« Sie murmelte etwas über das wunderbare Ambiente. Sie marschierten vorwärts, erwiderten das Lächeln und die
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