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Dave Duncan

Dave Duncan

Titel: Dave Duncan Kostenlos Bücher Online Lesen
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direkt vor ihnen; die königliche Familie am Anfang der Prozession war bereits durch einen Säulengang in die Kirche getreten. Die Glocken schmetterten fröhlich, die frostige Luft war spritzig, und manchmal kitzelten winzige Schneeflocken Inos’ Wimpern. In Gedanken ging sie alle Gebete durch, die sie sprechen wollte. Für Rap. Für Krasnegar. Für Weisheit, Mut und Hingabe, damit sie eine gute Regentin wurde. Für die Kraft, auf die Liebe zu vertrauen. Doch besonders für Rap und die Schwierigkeiten, die er hatte.
    Als sie in die Nähe der uralten Bögen kam, wußte sie, daß er dort war. Zwei Worte der Macht hatten ihr keine ihr bekannten okkulten Fähigkeiten beschert; was sie fühlte, mußte also von Rap gesandt sein.
    Sie spähte erst in die eine, dann in die andere Richtung, und schließlich machte sie ein einsames Geschöpf bei einer der großen, verwitterten Säulen aus.
    Sie entschuldigte sich murmelnd bei Tiffy und untermalte ihre Worte mit dem betörendsten Lächeln, das sie zustande bringen konnte. Bei ihm wirkte ihr Lächeln stets wie Butter auf heißen Kohlen. Schließlich huschte sie davon. Sie hielt ihren Umhang gegen die Kälte fest zusammen und schlug den hohen Kragen hoch, um ihre Ohren zu schützen. Sie lief um den Pfeiler herum.
    Rap lehnte mit dem Rücken und verschränkten Armen dagegen und beobachtete sie, ohne die Miene zu verziehen. Er hatte wieder Handwerkerkleidung an, doch verschmähte er sowohl Mantel als auch Hut – die Ohren eines Zauberers würden niemals abfrieren. Seine Haare waren zerzaust, und seine Augen wurden von den dummen Koboldtätowierungen umrahmt.
    »Du hast mich gerufen!«
     
    Er nickte mit mürrischem Blick. »Habe mich gefragt, was du wohl vorhattest.«.
    »Ich wollte die Götter ehren.«
»Das hatte ich befürchtet.« Seine Stimme klang bitter wie Alaun. O Rap! »Ich glaube, du solltest mir diese Bemerkung genauer erklären.«
    Er schürzte die Lippen. »Zauberer spielen mit Normalsterblichen ihre Spielchen. Die Wächter spielen Spielchen mit ganzen Nationen. Was glaubst du, tun die Götter zu ihrer Belustigung?« In ihrem ganzen Leben hatte sie noch keine derart widerliche Blasphemie gehört, und für einen Augenblick verschlug es ihr die Sprache.
    »Du hast einen Gott getroffen!« Rap erhob seine Stimme.
    Die Türen der Kirche schlugen donnernd zu… eins!… zwei! Die Glocken läuteten nicht mehr. Die Zuschauerknäuel verließen den grauweißen Hof.
    »Sie sagten, ich solle auf die Liebe vertrauen.«
    »Und was bedeutete das? Du wußtest es nicht, oder? Erst dachtest du, es geht um Andor. Dann um Azak. Und jetzt um Rap. Ja, er ist nur ein gewöhnlicher Kutscher, aber die Götter haben mir besonderen Dispens erteilt – «
    »Es bedeutete, daß ich dich aus dem Feuer retten mußte, Bursche.«
    Er zuckte die Achseln. »Wirklich? Du bist immer noch nicht sicher. Glaubst du nicht, daß ein vieldeutiger Befehl etwas über die Kompetenz desjenigen aussagt, der den Befehl erteilt? Oder vielleicht etwas über Ihre Ernsthaftigkeit? Ein wenig Verwirrung stiften und den Spaß beobachten vielleicht?«
    »Rap, hör damit auf! Ich will das nicht mehr hören!«
    Er zuckte wieder die Achseln. Sie sprach schnell weiter, bevor er etwas sagen konnte. »Du hast mir erzählt, du seist nur ein Magier, aber am nächsten Morgen warst du ein Zauberer. Woher hast du das vierte Wort bekommen, Rap?«
    »Kann ich nicht sagen.«
    »Kade hat mir erzählt, von wem du das dritte Wort hattest, und ich sah, wie du ein fünftes bekamst, aber woher hast du das vierte? Du hattest mich um ein Wort gebeten, aber ich hatte keins. Wer hatte noch ein Wort, Rap? Was hast du für dieses Wort bezahlt!«
    Er zuckte zusammen, und ihr Argwohn verwandelte sich in Grauen. »Bright Water!« flüsterte sie.
»Unsinn!«
    »Ich glaube doch! Vielleicht nicht direkt von ihr, aber sie hat dafür gesorgt, daß du eins bekommst. Sie kann dieses Monster, den Kobold, sehr gut leiden, und –«
Rap schüttelte den Kopf, und sie hielt inne wie ein scheuendes Pferd.
    »Sie hatte nichts damit zu tun! Nicht, daß ich wüßte. Ja, es war Little Chicken. Aber mach dir deshalb keine Sorgen.«
    »Sag mir, was du dafür bezahlt hast!« rief sie und schlug mit der Faust gegen den gefrorenen Stein der Säule. »Wie kann ein Kobold einen Zauberer quälen, wenn der Zauberer nicht einwilligt –«
    »Das stimmt.« Zum ersten Mal zeigte sich in Raps Augen die Andeutung eines Lächelns. »Und vermutlich noch nicht einmal dann. Es ist mir

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