Dave Duncan
Einladung des Imperators eine Gelegenheit für Euch ist, keine Falle. Falls Ihr Euch jedoch weiterhin so schlecht benehmt, werde ich meine Husaren hereinrufen, damit Sie Euch mit Gewalt zum Palast bringen – und glaubt nicht, das würden sie nicht tun!«
Sagorn warf ihr einen kurzen Blick zu, dann zuckte er die Achseln. »Was wollt Ihr wissen?«
»Eure Meinung über Master Rap.«
»Keine Frage. Zumindest eine sehr offensichtliche Hypothese. Er zeigt alle Anzeichen eines Mannes, der große Schmerzen erleidet.«
4
Die Rivalität zwischen den großen Familien des Impires war eine bittere und nicht enden wollende Angelegenheit, doch ihren Höhepunkt fand sie jedes Jahr beim Winterfest, wenn die Familien in einem Schaukampf aufeinanderprallten. Monatelang wurden in aller Heimlichkeit die Vorbereitungen dazu getroffen – die Kleider, die Orchester, das Essen, der Wein, die Unterhaltungseinlagen. Keine Kosten wurden gescheut, kein Knecht verschont. Rap hatte Kade gesagt, Inos solle an den Feiern teilnehmen. Trotz ihrer Sorgen vertraute sie ihm, und sie gehorchte. Als Ehrengast des Imperators, als Staatsgast, hatte sie ohnehin kaum eine andere Wahl. Es wäre eine Beleidigung gewesen, sich zu weigern.
Die Mode des letzten Jahres, die kurz mit Tournüren geflirtet hatte, war nur noch eine beschämende Erinnerung. Die Vernunft war zurückgekehrt und brachte Spitzen, Rüschen und Volants, die von Reifröcken so weit auseinandergehalten wurden, daß die Damen sich seitwärts durch die Türen drücken mußten. Die bevorzugten Farben waren Weinrot und Hyazinthrot, oder auch Lachs für diejenigen, deren Teint diese Farbe aushalten konnte. Spitze und Juwelen, Schleifen und Stickerei, Perlen und Muscheln, Blumen und Manschetten – nichts durfte bei der Verzierung ausgelassen werden. Auch das Haar mußte mit Edelsteinen besetzt, toupiert und so hoch auf dem Kopf aufgetürmt werden, bis es sogar die Federbüsche auf den Helmen der großen Husare überragte.
Kniehose und Wams für Männer waren unmodisch geworden, jetzt waren weiße enge Seidenhosen modern. Die Cuts in hellem Samt hingen im Rücken lang hinunter, vorne jedoch waren sie kurz, damit die Hosen besser zu sehen waren – und dann natürlich die Absurdität des Jahres, ein juwelenverzierter und bestickter Hosenbeutel. Es war eine Frage des persönlichen Geschmacks, der Rücksicht auf den Schneider und ein Gesprächsthema für die Damen, wie stark genau ein vornehmer Herr sich zum Beispiel an den Waden aufpolsterte.
Das Leben wurde zu einer ständigen Abfolge von Bällen. Parfümierte Einladungen wehten wie Schneeflocken auf Inos’ Tisch. Mittags zwang sie sich aus dem Bett, verbrachte des Rest des Tages damit, sich stundenlang vorzubereiten, und vertanzte die ganze Nacht. Wer genau das alles bezahlte, wagte sie nicht zu fragen – sie hatte einen immer wiederkehrenden Alptraum, in dem der Imperator den Gastwirt spielte und nach ihrer Abreise die Rechnung präsentierte, eine Rechnung, deren Endsumme größer war als der Wert ihres Königreiches.
Königin Inosolan von Krasnegar war ganz ohne Frage die Schönheit der Saison. Kein Ball war auch nur ein Petersiliensträußchen wert, wenn sie nicht daran teilnahm. Aufgrund der Ereignisse in Emines Rundhalle war sie eine gefeierte Persönlichkeit, denn eine faszinierende Aura des Okkulten umgab sie. Gerüchte brachten sie mit dem geheimnisvollen Faunzauberer in Verbindung, der die Dynastie gerettet hatte.
Außerdem tanzte Inos wunderbar, ihre Schönheit war einzigartig und ihr Verstand umwerfend. Die Debütantinnen sprachen von Hexerei.
Nur wenige verstanden, daß es nicht Verstand oder Anmut oder Schönheit waren, die die jungen Männer zu ihr hinzogen, sondern vielmehr eine wehmütige Aura der Tragik, ihre romantische Melancholie, das qualvolle Echo eines gebrochenen Herzens.
Durchschnittlich erhielt sie pro Tag vier Heiratsanträge. Mindestens zwei kamen stets von Tiffy, und sie bemerkte fünf oder sechs vornehme junge Männer, von denen so gut wie jeder Krasnegar regieren könnte, wäre er ihr ein Jahr früher über den Weg gelaufen. Zu spät! Zu spät!
In einem Wirbel aus Kerzenlicht, Musik und gutaussehenden Soldaten flog jede Nacht vorbei. Und wenn ein neuer Wintertag heranbrach, kroch sie zurück zum Palast und weinte ein weiteres Kissen naß.
Von Rap hatte sie nichts mehr zu sehen bekommen. Shandie schien der einzige Mensch, mit dem er sich jetzt traf. Sie ließ über den Jungen eine Botschaft
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