David Roth und andere Mysterien
David ein Schmunzeln über meine Schulter zu. Er hatte einen dicken blauen Farbstreifen im Gesicht, und wir schauten uns eine Zeit lang lauernd an, bevor er sich wieder der Wand widmete.
Tonlos seufzend tat ich es ihm gleich.
Eine Stunde später sah der Raum deutlich vielversprechender aus. Die Hälfte der Leute zog in das große, dem Meer und der Terrasse zugewandte Wohnzimmer weiter, in dem noch kein einziges Möbelstück zu finden war. Die andere Hälfte, Miles und ich, strich den Flur sonnenblumengelb.
Wir waren nahezu fertig, als eine der Zwillinge strahlend zu uns kam.
„Wer eine Pause einlegen und essen möchte, für den steht auf der Terrasse etwas bereit.“
Weil ich Linda von der Terrasse aus perfekt im Blick behalten konnte – das Wohnzimmer hatte nur eine einzige Wand, der Rest bestand aus Glas –, nahm ich das Angebot an. Auf dem Weg nach draußen schaute ich in die Küche, aus der köstliche, würzige Düfte heranwehten. Joanna ging gerade in die Hocke und schaute in den Backofen. Als sie mich bemerkte, richtete sie sich auf und lächelte ein bezauberndes Lächeln.
„ G’day, mate “, grüßte sie mit glockenheller Stimme.
Ich lachte. „ Hyvää päivää .“
Joannas Augen wurden riesig. „War das Finnisch?“
„Ja.“ Ich nickte in Richtung des Backofens. „Was ist da drin?“
„Oh, das sind meine Meat Pies.“ Ihr Grinsen wuchs in die Breite und sah nach Stolz aus. „Die sind gleich fertig.“
Ich hatte Bobby gestern schwärmerisch über die Meat Pies reden hören: handtellergroße, salzige Küchlein mit Hackfleischfüllung, in die alles Mögliche gesteckt werden konnte. Die Aussies liebten ihre Pies. Obendrauf kam laut Bobby manchmal Erbsenpüree, Kartoffelbrei oder die klassische tomato sauce – die australische Version von Ketchup. Nicht zu verwechseln mit Tomatensoße. Dieses Verbrechen hatte mir gestern Abend einen wutentbrannten Kinderblick beschert.
„Bringst du mir einen nach draußen, wenn sie fertig sind?“, fragte ich Joanna. Mein Magen knurrte und mir lief das Wasser im Mund zusammen. Dieses Gericht hörte sich nach etwas Australischem an, das mein finnischer Körper vertragen konnte.
„Klar“, versprach sie mir lächelnd. „In höchstens sieben Minuten sind sie soweit.“
„ Kiitos “, erwiderte ich. „Bis dann.“
Ich sah noch ihren verwirrten, neugierigen Gesichtsausdruck, bevor ich auf die Terrasse trat. Sollte sie sich doch das hübsche Köpfchen darüber zerbrechen, was ich eben zu ihr gesagt hatte.
Der Wind hatte sich mittlerweile gelegt, sodass die auf dem Tisch versammelten Schüsseln nicht in Gefahr waren, fortgeweht zu werden. Ich nahm einen Teller vom Stapel, eine Gabel aus einer Supermarkt-Tüte und machte es mir gemütlich. Linda und den gläsernen Raum ließ ich nicht aus den Augen.
Das Vegemite-Glas ignorierte ich stur und häufte mir stattdessen ein paar Oliven, ein paar Brösel Schafskäse, etwas cremigen Nudelsalat und vier Baguette-Scheiben auf den Teller. Seit einem viel zu frühen Frühstück hatte ich nichts mehr zu mir genommen, und in Finnland hätte ich schon mindestens zweimal wieder gegessen.
Ich verdrückte gerade eine mit Nudelsalat bedeckte Baguette-Scheibe, als die Terrassentür aufgeschoben wurde. Ruhig hob ich den Blick, spannte mich aber an, als ich sah, dass sich kein anderer als der Giftfrosch zu mir gesellte. Von all den seltsamen Leuten in Lindas Freundeskreis musste ausgerechnet er mich beim Essen stören.
„ G’day “, sagte er und kam mit einem schelmischen Grinsen auf mich zu. „Na, wie fühlt sich der Weihnachtsmann im sonnigen Sydney?“
Unbeeindruckt kaute ich weiter, während er sich direkt vor mich setzte, genüsslich seufzend, und begann, die verschiedenen Snacks auf einen Teller zu schaufeln.
Als ich fertig gekaut und geschluckt hatte, war ich gnädig und belehrte ihn: „Ich kann nicht der Weihnachtsmann sein, und wenn du dich informiert hättest, wüsstest du das.“
In übertriebenem Interesse schossen seine goldenen Augenbrauen in die Höhe. „Ach? Dann bitte ich dich demütig, mein finnischer Freund: Kläre mich auf!“
Wenn man es genau nimmt , dachte ich belustigt, ist das Spielchen mit diesem Frosch recht interessant. Warum nicht den Einsatz erhöhen?
„Schön“, sagte ich einem Tonfall, als würde ich mit einem Zweijährigen sprechen. „Der Weihnachtsmann kommt aus Rovaniemi. Das liegt im Süden von Lappland. Ich hingegen bin viel weiter nördlich aufgewachsen.“
„Ich danke
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