David Trevellyan 01 - Ohne Reue
den USA?«
» Ich habe im Auftrag des Außenministeriums gearbeitet. Angefangen habe ich in der Botschaft in Washington, dann bin ich ins Konsulat hier nach New York gekommen.«
» Wo waren Sie, bevor Sie nach Washington gingen?«
» In Paris, bei einem andern Job.«
» Paris in Frankreich? Sie sind direkt von dort gekommen?«
» Genau.«
» Wann war das?«
» Vor sechs Wochen.«
» Und dann kamen Sie direkt nach New York?«
» Richtig.«
» Wann?«
» Vor drei Wochen.«
» Waren Sie die ganze Zeit über hier?«
» Ich habe mich keinen Schritt aus Manhattan hinausbewegt.«
» Und Ihr Auftrag war wann abgeschlossen?«
» Gestern.«
» Gestern war Sonntag.«
» Na und?«
» Wann gestern? Morgens? Nachmittags?«
» Am späten Nachmittag. Der Auftraggeber hat seinen Hauptsitz in London, darum musste ich im Konsulat warten, bis die Abschlussbestätigung kam.«
» Und um wie viel Uhr war das?«
» Halb sechs.«
» Kann das jemand bestätigen?«
» Selbstverständlich.«
» Gut, möglicherweise müssen wir mit diesen Leuten sprechen. In diesem Fall werden wir Sie um die entsprechenden Namen bitten.«
Ich zuckte mit den Achseln. Das wäre zwar unangenehm, aber wenn er darauf bestand, würde ich sicher jemanden auftreiben können, der das Richtige sagen konnte.
» Mal sehen, ob ich das richtig verstanden habe«, meinte Gibson. » Um halb sechs sind Sie im Konsulat und bekommen die Abschlussbestätigung für Ihr Projekt. Und um Mitternacht stehen Sie in einer Gasse neben einer Leiche.«
» Das ist richtig«, gab ich zu. » Sechseinhalb Stunden nach Beendigung meiner Arbeit fand ich unglücklicherweise einen leblosen Körper.«
» Was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht?«
» Natürlich habe ich zunächst das Konsulat verlassen. Ich ging zurück in mein Hotel, habe geduscht, mich umgezogen und bin dann essen gegangen.«
» Wo?«
» In einem kleinen Restaurant. Nannte sich Fong’s.«
» Mit wem?«
» Niemandem. Ich war allein.«
» Was ist mit der Rechnung?«
» Was soll damit sein?«
» Sie befand sich nicht bei Ihren Sachen.«
» Na und?«
» Wo ist sie dann?«
» Keine Ahnung.«
» Warum? Was haben Sie damit gemacht?«
» Ich habe bar bezahlt. Ich habe sie weggeworfen.«
» Wie bequem.«
» Wieso bequem?«
» Hat Sie jemand dort gesehen? Das Personal? Andere Gäste?«
» Sicher. Versuchen Sie doch mal, allein essen zu gehen, ohne angestarrt zu werden.«
» Vielleicht prüfen wir das nach. Na gut. Was noch?«
» Ich habe gegessen und mich dann auf den Rückweg gemacht. Ich habe die Leiche gesehen. Sie lag in einer Seitengasse, die von der Mulberry Street abgeht. Ich bin hingegangen, um zu sehen, ob ich dem Kerl helfen kann, und wollte mich gerade auf den Weg zum Telefon machen, um den Notruf zu informieren, als Ihre Kollegen gekommen sind.«
» Warum haben Sie nicht vom Handy aus angerufen?«
» Ich hab kein Handy. Ich mag die Dinger nicht. Die brutzeln einem das Hirn weg.«
» Sie haben also die Leiche dort einfach nur gefunden?«
» Ganz genau.«
» Sie lag da schon, als Sie in die Gasse gegangen sind?«
» Ja.«
» Bereits tot?«
» Leider ja. Ich habe nachgesehen, aber es war zu spät.«
» Und das ist alles?«
» Das ist alles.«
» Das passt nicht ganz zusammen, nicht wahr, David?«
» Was passt nicht zusammen? So ist es gewesen.«
» Denken Sie doch mal nach. Sie sind Geschäftsmann. Berater. Ein respektabler Bürger an einem wohlverdienten freien Abend. Und von allen Wundern, die New York zu bieten hat, suchen Sie sich eine verschissene Gasse aus, in der zufällig die noch warme Leiche von irgendeinem Kerl herumliegt, völlig durchlöchert. Tut mir leid, aber das klingt nicht sehr glaubhaft.«
» Das habe ich auch nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass ich den Abend in einem Restaurant verbracht habe und anschließend auf dem Rückweg in mein Hotel die Leiche gefunden habe.«
» Warum sind Sie gelaufen? Warum haben Sie kein Taxi genommen?«
» Und ich bin nur in die Gasse gegangen, weil ich dort jemanden habe liegen sehen. Man konnte ihn von der Straße aus sehen. Es waren noch andere Detectives da. Und Polizeibeamte in Uniform. Fragen Sie sie. Sie werden bestätigen, wo er lag.«
» Uns interessiert nicht, wo die Leiche lag, David. Uns interessiert nur, warum da eine Leiche lag.«
» Und wenn Sie irgendetwas darüber wissen, wäre es an der Zeit, es uns zu sagen«, mischte sich Harris ein, der mich zum ersten Mal, seit wir den Vernehmungsraum betreten
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