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David Trevellyan 01 - Ohne Reue

Titel: David Trevellyan 01 - Ohne Reue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Grant
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meinte ich. » Mir scheint, als hätten Sie nur keine Lust, Ihren Job zu machen. Und jetzt bitte – meinen Anwalt. Zum vierten Mal. Ich werde es nicht noch einmal sagen.«
    » Sagen Sie uns wenigstens, warum Sie die Leiche bewegt haben«, fragte Gibson.
    Ich verschränkte die Arme und schwieg.
    » Als dieser Mann den Notruf gewählt hat, lag die Leiche noch hinten in der Gasse«, erklärte Gibson. » Das war um 23 : 57 Uhr.«
    » Als vier Minuten später die Polizei ankam, befand sie sich am Anfang der Gasse«, ergänzte Harris.
    » Sie waren der Einzige am Tatort«, meinte Gibson.
    » Also müssen Sie es gewesen sein, der sie dorthin gebracht hat«, übernahm Harris das Wort.
    » Die Frage ist nur, warum?«, wollte Gibson wissen.
    Ich gab keine Antwort.
    » Wie wir bereits sagten, David, wir glauben nicht, dass Sie ein schlechter Kerl sind«, erklärte Harris. » Wir glauben, dass Ihnen das, was da geschehen ist, leidtut. Wir glauben, dass Sie die Leiche näher an die Straße gebracht haben, damit sie gefunden wird. Sie wollten das Richtige tun.«
    » Das zeugt von Reue, David«, sagte Gibson. » Reue ist gut. Reue könnte Ihnen wirklich helfen. Aber Sie müssen mit uns reden.«
    » Ihr Anwalt wird Ihnen raten zu schweigen«, vermutete Harris. » Aber er muss mit dieser Sache auch nicht leben, sondern Sie.«
    » Also, wenn es Ihnen leidtut, wenn Sie versucht haben, das Richtige zu tun – dann sagen Sie es uns«, sagte Gibson. » Dann werden Sie sich gleich wesentlich besser fühlen.«
    » Und Sie ersparen sich eine lange Zeit im Gefängnis«, erklärte Harris.
    » Denn wenn Sie nicht mit uns reden, werden wir diesen Zeugen vorladen müssen«, ergänzte Gibson, » und bei der Beschreibung, die er am Telefon gegeben hat, wird er Sie bei einer Gegenüberstellung sofort identifizieren.«
    » Und dann sieht die Sache ganz anders aus«, vollendete Harris. » Ganz anders.«
    » Dann sieht es nämlich so aus, als hätten Sie mit Vorsatz gehandelt«, fuhr Gibson fort.
    » Notwehr wäre dann vom Tisch«, sagte Harris fest.
    » Totschlag ebenfalls«, meinte Gibson.
    » Dann würden wir von Mord reden«, erklärte Harris. » Denken Sie mal darüber nach.«
    Gibson schob mir seinen Stift und einen Notizblock hinüber.
    » Schreiben Sie auf, was geschehen ist, so wie wir es besprochen haben«, forderte er mich auf, » oder die Nummer Ihres Anwalts. Sie haben die Wahl.«
    Ich schrieb eine Telefonnummer auf.

5
    Wenn ich nicht gerade im Gefängnis bin, lese ich morgens als Erstes die Zeitungen.
    Montag bis Samstag genieße ich das, nur sonntags nicht. Sonntags gibt es zu wenig Nachrichten. Zu viele Meinungen. Und einen Haufen Sonderrubriken, mit denen man sich befassen soll. Wie in der Zeitung, die ich auf dem Weg zu diesem Job hier am Flughafen Charles-de-Gaulle mitgenommen hatte. Es gab eine ganze Beilage darüber, wie die Menschen über Arbeit denken. Aus welchen Gründen hatten sie ihren Job gewählt? Was gefiel ihnen nicht? Was brachte sie dazu zu kündigen? Die Antworten waren auf vier Seiten mit Balken- und Tortendiagrammen ausgebreitet. Es gab die üblichen Gründe – Geld, Status, Beförderung, Arbeitszeiten, Reisen. Aber den Journalisten zufolge war der wichtigste Faktor die » Zusammenarbeit mit den Kollegen«.
    Das ist etwas, was es in meinem Job normalerweise nicht gibt.
    Nur einmal habe ich jemanden getroffen, bei dem ich mir wünschte, es wäre anders.
    Tanya Wilson sah noch ganz genau so aus wie an dem Tag in Madrid, als ich sie zum ersten Mal gesehen hatte. Sie war eins dreiundsiebzig groß, schlank und trug einen eleganten blauen Anzug, perfekt ergänzt von einer schlichten weißen Bluse und flachen dunkelblauen Schuhen. Wie üblich trug sie ihr dunkles, schulterlanges Haar aus dem Gesicht gekämmt. Sie bevorzugte diese Frisur, obwohl sie ihre scharfen Gesichtszüge betonte. Bei unserem ersten Treffen dachte ich, dass sie aussieht wie eine Anwältin, und die abgewetzte Lederaktentasche und die schmale Brille mit Metallgestell verstärkten heute diesen Eindruck noch.
    Einen Augenblick lang schwiegen wir.
    In unserem Beruf gibt es, was Beziehungen angeht, eine Grenze, die man nicht überschreitet, zumindest nicht, solange man noch einigermaßen bei Verstand ist. Das wussten wir beide, doch wir waren dieser Grenze in jenem Frühjahr ziemlich nahe gekommen. Gefährlich nahe. Vielleicht waren sogar schon die Zehenspitzen auf die andere Seite gewandert. Meine bestimmt, und ich bin mir sicher, ihre auch. Doch bevor

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