David Weber - Honor Harrington 20 - An Bord der Hexapuma
Gegnern − von denen nicht einmal alle zur Schlichtungspartei gehörten − wurden zunehmend hitziger. So ungern sie es sich auch eingestand, sie war nicht sicher, ob das Parlament hinter ihr stände, wenn sie Rajkovic zur Aushändigung des Siegels aufforderte, und den Verlust an politischem Kapital, sollte es ihre Forderung ablehnen, konnte sie sich unmöglich leisten.
Außerdem benötigte sie keine offizielle Rückerstattung ihrer Macht, um zu beobachten, was in ›Rajkovics‹ Kabinett vorging. Mavro\Kanjer und Alenka Mestrovic hielten sie über alles genau informiert, was Rajkovic bei Kabinettssitzungen sagte, und als Justizminister hätte Kanjer auf jeden Fall von irgendwelchen Anzapfungen gewusst, die das manticoranische Kontingent aus dem Spindle-System legte.
Sie entschied sich gegen jede Erklärung. Wenn jemand heikel werden wollte, verstießen Mavro und Alenka technisch gegen das Gesetz, indem sie sie auf dem Laufenden hielten, während ein anderer kommissarisches Staatsoberhaupt war. Zovan hätte gewiss nichts weitererzählt, was sie ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraute, doch unter den gegebenen Umständen galt die Devise: Je weniger Leute davon wussten, desto besser.
»Ich glaube, Sie machen sich unnötige Sorgen, Tomaz«, sagte sie stattdessen. »Aber jetzt, wo Sie hier sind, setzen Sie sich bitte. Trinken Sie etwas mit mir, und dann erzählen Sie, worum es geht.«
»Ich danke für das Angebot, Madam President. Und auf den Drink komme ich vielleicht später zurück. Ich glaube, ich sollte Ihnen jedoch als Erstes sagen, weshalb ich Sie sprechen wollte.«
»Wie Sie wollen. Aber bitte setzen Sie sich wenigstens.«
Sie wies auf einen der Sessel, die ihrem eigenen gegenüberstanden, und Zovan ließ sich gehorsam darauf nieder. Dennoch entspannte er sich nicht. Er kauerte auf dem Rand des Sitzpolsters, die Hände auf den Knien, und beugte sich sogar leicht zu ihr vor.
»Also, Tomaz«, sagte sie. »Was soll das alles?«
»Madam President, offiziell dürfte ich nichts von alledem wissen. Oder ich sollte es zumindest nicht zugeben. Unter den gegeben Umständen halte ich es jedoch für meine Pflicht, sofort damit zu Ihnen zu kommen.«
Seine Stimme war ruhig, sein Ausdruck grimmig, und Tonkovic durchfuhr eine formlose Kälte.
»Heute Nachmittag«, fuhr er fort, »hat Krizanic hinter verschlossener Tür mit dem Ständigen Ausschuss beraten. Danach kam Judita Debevic zu mir ins Büro.«
Er hielt inne, und Tonkovic nickte leicht. Debevic führte die Partei der Sozialen Mäßigung und war Vizevorsitzende des Ausschusses.
»Madam President«, sagte Zovan mit belegter Stimme, »sie fragte mich, ob ich bereit wäre, bei einem Amtsenthebungsverfahren als Ihr Verteidiger zu fungieren.«
Trotz ihrer jahrzehntelangen politischen Erfahrung und ihrer Selbstbeherrschung zuckte Tonkovic sichtlich zusammen. Wenigstens zehn Sekunden lang starrte sie ihren Besucher an, nur einer gewaltigen, hallenden Leere gewahr, und dann erst gelang es ihr, ihr Gehirn wieder zum Arbeiten zu bewegen.
Kein amtierender Präsident war je erfolgreich seines Amtes enthoben worden! Nur eine einzige Amtsenthebung war je zur Abstimmung gekommen, und sie war abgelehnt worden. Nur knapp vielleicht, aber abgelehnt. Nicht einmal Rajkovic war so dumm zu glauben, dass aus solch fadenscheinigen Gründen eine Amtsenthebung gegen sie eingeleitet werden könnte!
Doch selbst während sie sich das sagte, empfand sie eine unleugbare Furcht. Im Zuge des Aufteilens der Ausschussvorsitze hatte Rajkovics Schlichtungspartei den Vorsitz des Ständigen Verfassungsausschusses nach der letzten Präsidentschaftswahl erhalten. Die Entscheidung erschien vernünftig, da Tonkovics Partei und ihre Verbündeten die Präsidentschaft und eine absolute Parlamentsmehrheit besaßen. Doch obwohl Cuijeta Krizanic den Ausschussvorsitz erhalten hatte, gehörten fünf der acht Mitglieder entweder zu den Demokratischen Zentralisten oder der Partei der Sozialen Mäßigung. Jede Abstimmung des Ausschusses über ein Amtsenthebungsverfahren hätte also von vornherein scheitern müssen.
Doch Debevic hätte Zovan nie gebeten, als Tonkovics Verteidiger zu fungieren, wenn sie nicht tief besorgt wäre, dass eine Amtsenthebung tatsächlich beschlossen werden könnte − dass es sogar wahrscheinlich war. Sie hatte inoffiziell mit Zovan gesprochen, aber ihr war dabei klar gewesen, dass Tomaz umgehend Tonkovic informieren würde. Auf diese Weise hatte sie die Planetare
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