Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
Vom Netzwerk:
lief, sie aufzog und ins Freie trat.

41
    »Sind Sie Florian?« Die Frau hinter der Theke hielt einen Telefonhörer in der Hand. »Ein gewisser David will sie sprechen.«
    Flo stand auf, ging zum Tresen und nahm den Hörer. »David?«
    Er hatte bereits gut zwanzig Minuten in der Kneipe gesessen und gewartet. Es war die Kneipe, in der sie schon als Studenten
     abends ihr Bier getrunken hatten, in der sie mit Walter gesessen hatten, in die sie gegangen waren, wenn sie nach der Arbeit
     am »Zyklop« noch etwas relaxen wollten, und die sich schräg gegenüber von dem Mietshaus befand, in dem sie sich zu Beginn
     ihres Berlin-Aufenthalts eine Wohnung geteilt hatten.
    »Hör zu«, war Davids Stimme zu vernehmen. »In der Kneipe erkennt mich vielleicht jemand. Treffen wir uns woanders.«
    »Okay.«
    »Ich bin hier oben, gleich gegenüber. Weißt du noch? Auf dem Dach. Was hältst du davon, hier hochzukommen? Hier können wir
     in Ruhe reden.«
    »Gut.«
    »Die Tür unten ist offen. Die oben auch.« Und damit legte er auf.
    Florian gab der Barfrau den Hörer zurück. Sollte er Riemschneider Bescheid geben? Aber der hatte ihm eingeschärft, sich nicht
     um die Polizei zu kümmern. Sie würden ihn nicht aus den Augen lassen und wüssten selbst am besten, was zu tun sei.
     
    Florian verließ die Kneipe und überquerte die Straße. Wenn David etwas bemerkt hatte? Wenn da oben eine Falle lauerte? Er
     stieß die schwere Haustür seines alten Wohnhauses auf. Geradeaus ging es zum Hof und Hinterhaus, linker Hand führte eine Treppe
     in die oberen Stockwerke des Vorderhauses. Er begann, die Treppe nach oben zu steigen. Keine Spur von den Polizeikräften.
     Das musste man Riemschneider lassen, seine Männer arbeiteten absolut unauffällig.
    Als er das Ende der Treppe erreicht hatte, ging sein Atem schwer. Er sah sich um. Vom letzten Treppenabsatz ging nur eine
     Tür ab. David hatte recht, sie war unverschlossen.
    Flo zog sie auf. Dahinter befand sich eine Dachkammer. Schräge Decke, Holzbalken, ein paar alte Klappstühle an der Wand in
     der Ecke. Mitten in der Kammer führte eine Leiter bis zu einem Dachfenster, das in die schräge Decke eingelassen war. Das
     Fenster war hochgeklappt, kühler Wind wehte hindurch.
    Flo kletterte die Leiter empor und steckte den Kopf durch das Fenster ins Freie. Unterhalb des Ausstiegs endete die Dachschräge
     und ging in eine geteerte Plattform über. Er kraxelte durch das Fenster auf die Plattform, richtete sich auf und sah sich
     um. Über ihm wölbte sich die Nacht. Florian hatte es immer geliebt, hier obenzu sein. Man hatte einen herrlichen Blick über die Stadt. Das Kreuzberg-Denkmal, die Hochhäuser der Leipziger Straße, im Hintergrund
     der Fernsehturm. Der Verkehr, das Hickhack und Gehetze schienen mit einem Mal wie entrückt. Sanft strich ihm der Wind ins
     Gesicht, während er sich auf dem Dach orientierte. Ein paar Antennen, schwarz geteerte Dachpappe, marode Schornsteine und
     Mauervorsprünge. Es hatte sich nichts verändert.
    Vorsichtig lief er über das Dach des Vorderhauses zum Seitenflügel. Von David nichts zu sehen. Ihr Sitzplatz war immer auf
     dem Dach des Hinterhauses gewesen, das sich an den Seitenflügel anschloss. Da es ein Stockwerk niedriger war, konnte er nicht
     sehen, ob David sich schon an ihrem alten Platz aufhielt. Erst als er das Ende des Seitenflügels erreichte, erblickte er ihn.
     David saß auf einem Mauervorsprung, durch zwei Schornsteine vor den unliebsamen Blicken der Nachbarn aus den Seitenflügeln
     geschützt.
    Er sah zu Florian hoch. »Was ist, willst du nicht runterkommen?«
    Ein spöttisches Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Trotzdem wirkte er angespannt. Flo wusste, dass er keine Zeit verlieren
     durfte. Es konnte jeden Augenblick losgehen.
    »Riemschneider hat mir die Kamera gezeigt, die sie in Tschetschenien sichergestellt haben.«
    Er sah, wie Davids Augen sich weiteten, und registrierte unterschwellig ein elektrisches Knistern. Im selben Augenblick wirbelte
     David herum. Eine kleine, birnenförmige Kapsel flog auf das Hinterhausdach, prallte von einem der Schornsteine ab und kollerte
     ihm zwischen dieFüße. Schon sprintete er los. Mit grellem Blitz und ohrenbetäubendem Knall detonierte die Kapsel.
    Die Druckwelle traf Florian frontal. Er schlug die Hände vors Gesicht, taumelte und warf sich auf das Dach des Seitenflügels,
     um nicht vom Haus zu stürzen. Instinktiv rollte er sich zusammen und umklammerte die angezogenen Beine. Durch

Weitere Kostenlose Bücher