Davids letzter Film
wie
der Anblick der Fotos sein Leben veränderte.
»In ›Audience‹ wird den Zuschauern gesagt, es sei nur ein Horrorfilm, man habe ihnen nur einen schrecklich schönen Schauer
über den Rücken jagen wollen«, vernahm er Riemschneiders Stimme. »Für andere Kunden, wie Tegtmeyer, wird das Material anders
aufbereitet. Da werden die Beweise dafür, dass es ein authentischer Snuff-Film ist, gleich mitgeliefert. Auch ein schrecklicher
Schauer, und Leute wie Tegtmeyer genießen das.«
Er schob die Fotos beiseite und fixierte Florian. »Be greifen Sie denn nicht, Baumgartner? Ihr Freund hat nicht einfach nur ein paar Filme gedreht, die vielleicht zu brutal waren, um
öffentlich gezeigt zu werden. Er hat getötet – und warum? Für Geld! Der Junge hier«, er nickte zu den Aufnahmen, »war ihm
scheißegal. Er hat seinen Tod ausgebeutet – um sich selbst zu bereichern.« Riemschneider lehnte sich zurück. »Ich weiß ja
nicht, was Sie für ein Mensch sind. Aber mir kommt das kalte Kotzen, wenn ich daran denke. Es kann ja sein, dass Mosbach und
Sie gut befreundet waren. Das ist aber kein Grund, jetzt die Augen zu verschließen! Vielleicht war er früher anders. Heute
jedenfalls muss alles getan werden, damitdieser Mann«, und damit tippte er auf Davids Mappe, »gestoppt wird. Bevor der nächste Bengel, der wirklich nichts dafür kann,
von diesem Schwein verstümmelt und ausgeschlachtet wird.«
»So ist es nicht«, stammelte Flo. »Das … es kann nicht sein. Für David war Geld nie wichtig –«
»Nicht, um es zu besitzen«, unterbrach Riemschneider ihn, »natürlich nicht. Er hat ja mit den Immobilien seines Vaters genug
geerbt. Aber er braucht Geld für seine anderen Projekte, das hab ich doch gerade gesagt. Für die Projekte, um die es ihm wirklich
geht. Für die ist er bereit, über Leichen zu gehen. Wenn Sie Mosbach wirklich so gut kennen, wie Sie behaupten, dann wissen
Sie das.«
In Flos Kopf brauste es. Würde David wirklich alles tun, um seine Ideen zu verwirklichen? Würde er so weit gehen? Und in dem
Moment, in dem Flo sich das fragte, musste er sich eingestehen, dass es möglich war. Er bemerkte, wie Riemschneider seinem
Kollegen noch einmal zunickte. Der fuhr den Film wieder ab.
Der Arzt mit der randlosen Brille und dem weißen Kittel kam ins Bild. Flo musste würgen.
»Wir können Ihnen eine psychologische Betreuung besorgen, Herr Baumgartner«, hörte er Riemschneider sagen. »So etwas kann
einen nachhaltig traumatisieren.«
Aber Flo sah von dem Film schon nichts mehr, vor seinen Augen waren nur noch Schlieren und Schleier. »Warum zeigen Sie mir
das dann?«, fauchte er Riemschneider an und wischte sich über die Augen.
»Weil Sie uns helfen können«, antwortete der Beamte.
40
Florian war dann doch nicht mehr geflogen. Den Rest des Tages verbrachte er im Freien. Erst ging er in den Zoo und sah den
Affen und Löwen zu. Im Zoorestaurant holte er sich einen Kaffee und ein Stück Kuchen, ließ beides jedoch unberührt stehen.
Er schlenderte durch den kalten Tiergarten und sah den Enten beim Tauchen zu. Entfernt drang das Brummen der Großstadt zu
ihm herüber. Irgendwann am frühen Nachmittag setzte er sich auf eine Parkbank, von der man bis zum Potsdamer Platz sehen konnte.
Eine Zeit lang schaute er in den Himmel. Dann musste er weinen.
Bevor es dunkel wurde, suchte er Davids Villa in Potsdam auf. Er klingelte und wartete, bis Thea ihm öffnete. Sie bat ihn
herein, und sie gingen ins Wohnzimmer. Aber Thea bot ihm keinen Platz an und auch nichts zu trinken.
»Wolltest du nicht abfahren, Flo? Was machst du noch hier?«
»Die Polizei hat mich heute befragt«, sagte er. »Es war widerlich.«
Thea musterte ihn ruhig, sagte aber nichts. Wie gestern am Telefon.
Flo strich sich über die Stirn. Jetzt! »Ich muss Davidsehen«, sagte er. Er musste es hinter sich bringen! »Ich hab es mir noch mal überlegt. Ich will doch mit ihm arbeiten. Er
hat gesagt, dass ich dir Bescheid geben soll.«
Thea hatte den Blick gesenkt.
»Am besten, er trifft mich gleich heute Abend um zehn in unserer alten Kneipe«, fuhr Florian fort. »Sag ihm das so, dann weiß
er Bescheid.«
Sie reagierte nicht.
»Bleib ruhig hier, ich finde den Weg auch allein«, murmelte Flo und wandte sich zum Gehen. Er hatte gehofft, sie würde ihn
noch zur Tür bringen. Aber das tat sie nicht. Sie blieb einfach im Wohnzimmer stehen, während er durch die Eingangshalle zur
Haustür
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