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Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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gefehlt.
     Viele der großen Häuser waren in den ersten Jahren nach der Wende zwar noch recht preiswert und ramponiert gewesen – und dadurch
     nur umso verwunschener, wie er fand   –, die Renovierung eines solchen Gebäudes hätte jedoch schnell seine Kasse gesprengt.
    Am Brandenburger Tor in der Nähe von Sanssouci stieg er aus, zahlte den Fahrer und schlenderte hügelan zur Weinbergstraße,
     die Walter ihm als Davids Adresse genannt hatte. Der Himmel war beinahe makellos blau, die Luft verglichen mit dem Madrider
     Smog wunderbar rein, nur der eisige Wind, der durch die Straßen blies, machte Flo ein wenig zu schaffen. Neugierig musterte
     er die prachtvollen Häuser, die beiderseits der Straße vom einstigen Reichtum der Großindustriellen und Bankiers zeugten,
     die hier gewohnt hatten. Vor allem eine Jugendstilvilla fiel ihm auf. Sie stand auf dem Scheitelpunkt der Weinbergstraße und
     hob sich deutlich von den Nachbarhäusern ab. Statt zu Tode saniert worden zu sein, hatte sich diese Villa jenes abgestoßene
     Flair bewahrt, das ervor Jahren an Potsdam so geliebt hatte. Ein überdimensionales Fenster dominierte die Fassade und ließ schemenhaft das Eingangsfoyer
     und ein großzügiges Treppenhaus erahnen. Zwei groteske Riesen, deren Rümpfe in Säulen übergingen, hockten auf den Giebeln
     der Fenster im Erdgeschoss und umklammerten den Balkon im ersten Stock. Auf den Pfeilern des gusseisernen Gitters, das das
     Grundstück umschloss, erhoben sich blassrote Terrakottavasen, in denen sorgfältig getrimmte Buchsbäume wuchsen.
    Flo blieb vor der Villa stehen und blickte auf das Namensschild neben der Klingel. »Mosbach« stand dort. Niemand sonst schien
     in dem Haus zu wohnen.
    Beeindruckt marschierte er an dem Gitter entlang um das Grundstück herum. Es lag in einer Sackgasse, die erst leicht anstieg,
     bevor sie in eine kurze Treppe mündete, über die man in den tiefer gelegenen Teil der Altstadt gelangte. Von dem höheren,
     hinteren Teil der Sackgasse aus hatte Flo einen guten Blick auf die Rückseite und in den Garten des Hauses. Ja, von so einem
     halb verfallenen, halb verwunschenen Schlösschen hatte er immer geträumt. Die Villa wurde an einer ihrer Ecken von einem Türmchen
     überragt, von dem aus man ganz Potsdam überblicken können musste. Im ersten Stock prägte ein ringsum verglaster Wintergarten
     die verspielte Architektur, durch dessen Scheiben er die Palmen, Oliven und Oleander erkennen konnte, die David dort in großen
     Töpfen angepflanzt haben musste.
    Florians Blick wanderte in den verwilderten Garten. Erst jetzt bemerkte er, dass eine junge Frau das Laub zwischen den hochstämmigen
     Bäumen zusammenharkte. Ihr Gesicht war ebenmäßig und offen, kastanienbraunes,langes Haar fiel ihr auf die Schultern. Sie wirkte nicht älter als dreißig.
    Florian trat an das Gitter. »Sie müssen Thea sein!«, rief er ihr zu und hob die Hand.
    Die Frau hielt mit dem Harken inne und sah auf. Als sie Florian hinter dem Gitter bemerkte, runzelte sie die Stirn.
    Flo setzte sein bestes Lächeln auf. »Entschuldigen Sie, dass ich hier so plötzlich auftauche.« Er streckte eine Hand durch
     die Gitterstäbe. »Mein Name ist Baumgartner, Florian Baumgartner, ich bin ein alter Freund von David.«
    Die Haltung der Frau lockerte sich ein wenig, und sie kam zu ihm an das Gitter. »Florian?«
    Er nickte.
    Sie ergriff seine Hand und schüttelte sie. »Ja, doch, natürlich, David hat oft von Ihnen gesprochen.« Sie ließ seine Hand
     los und zuckte bedauernd mit der Schulter. »Aber er ist jetzt nicht da.«
    »Ich weiß.« Flo umfasste mit beiden Händen die Stäbe. Recherchieren – das konnte er doch! »Deshalb bin ich hier. Ich will
     nicht aufdringlich erscheinen, aber   … ich habe ein paar Fragen und würde gern kurz mit Ihnen reden. Über David.«
    Er hatte eigentlich immer ganz gute Karten bei Frauen gehabt, vorausgesetzt, er gab sich Mühe. Und die gab er sich gerade.
    Einen Augenblick starrte sie ihn an. Dann riss sie sich zusammen. »Natürlich, Florian, entschuldigen Sie.« Sie wirkte ein
     wenig verwirrt. »Kommen Sie zum Eingang nach vorn, ich mache Ihnen auf.«

7
    Die Innenausstattung des Hauses hielt, was die Fassade versprochen hatte. Es verschlug Florian beinahe die Sprache, als er
     es betrat. Die Wände waren strahlend weiß getüncht, der Fußboden durchgehend mit goldbraunem Parkett ausgelegt. Die Einrichtung
     war sparsam, beinahe streng, jedes einzelne Stück aber sorgfältig

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