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Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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ausgewählt und genau dort platziert, wo es genug Raum hatte,
     um seine Wirkung voll zu entfalten. Hier eine Stahlskulptur, dort ein antiker Altaraufsatz aus einer toskanischen Kirche –
     mehr nicht.
    Thea führte Florian durch eine Eingangshalle ins Wohnzimmer, wo der Blick ungehindert durch eine breite Fensterfront in den
     Garten ging, der vor dem Haus sanft abfiel und weiter unten an einem verschilften Seeufer endete. Die Decke des Wohnzimmers
     war teilweise herausgenommen, sodass sich dem Auge über eine Galerie hinweg eine Vielzahl von Durchblicken und Perspektiven
     bis hinein in die oberen Stockwerke erschloss. Dominiert wurde das in viele Richtungen offene Zimmer jedoch von einem gigantischen,
     hochglänzenden Schwarzweißfoto, das eine ganze Wand für sich allein in Anspruch nahm.
    »Kaffee?«
    Thea sah zu Florian, der mitten im Raum stehen gebliebenwar und sich an dem Zusammenspiel von Gartenlandschaft, Jugendstilarchitektur und modernem Ausbau kaum sattsehen konnte. David
     musste viel Zeit, Liebe und Geld investiert haben, um einen solchen Raumeindruck zu schaffen.
    »Wahnsinn – das Haus ist ein Traum«, stieß er hervor und musste grinsen.
    Thea lächelte. Für einen Moment standen sie ratlos im Zimmer, dann riss Flo sich zusammen.
    »Kaffee? Ja, gern! Das wäre klasse!«
    Seine spontane, jungenhafte Art löste ein wenig die Anspannung, die sich aus der ungewohnten Situation ergeben hatte.
    »Espresso, Cappuccino, Latte macchiato, normaler Kaffee?«
    »Am liebsten Espresso.«
    »Ja.«
    Sie trat zu der Wand mit dem Foto und betätigte einen kleinen Knopf, der daneben angebracht war. Kurz darauf erschien eine
     junge Frau in einem einfachen blauen Kleid. Thea bat sie, zwei Espressi und Gebäck zu bringen. Dann setzte sie sich auf das
     blau-weiß gestreifte Sofa in der Mitte des Raumes und bot Florian einen Sessel an, der sich auf der anderen Seite eines niedrigen
     Glastischs befand.
    »Waren Sie mit David verabredet?« Sie blickte ihn fragend an.
    Florian zögerte und setzte sich ebenfalls. Sollte er sagen, dass er von einer Zeitung geschickt wurde? Würde sie ihn dann
     nicht empört hinauswerfen? Andererseits hatte er keine Lust, die Freundin seines besten Freundes zu belügen.
    »Nein, also um ehrlich zu sein, ich bin hier, weil ich mir Sorgen mache.« Er schlug die Beine übereinander. Dass er sich Sorgen
     machte, stimmte jedenfalls.
    »Sorgen?« Thea zog die Augenbrauen hoch. Sie schien zu spüren, dass Florian ihr etwas verschwieg.
    »Hören Sie, Thea, es ist doch kein Geheimnis. David wird vermisst. Keiner weiß, wo er steckt. Ist er in Schwierigkeiten geraten?
     Vielleicht kann ich helfen! Wenn David Ihnen von mir erzählt hat, wissen Sie, dass wir uns gegenseitig helfen, wenn Not am
     Mann ist. Wir kennen uns seit über dreißig Jahren. David ist mein bester Freund.«
    Er sagte das nicht nur so dahin. Er war immer bereit gewesen, David zu helfen. Als sie klein waren, hatte er es getan. Und
     er hätte es auch später immer wieder getan, wenn es nötig gewesen wäre. Dass es das tatsächlich war, kam ihm allerdings seit
     gestern zum ersten Mal so vor. Obwohl David sich auch als Erwachsener noch notorisch leichtsinnig verhalten hatte und dementsprechend
     oft in Bedrängnis geraten war, hatte er sich später immer – soweit Florian das beurteilen konnte – selbst aus allen Klemmen
     befreit.
    Flo beugte sich vor und sah Thea in die Augen. »Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn ihm etwas zugestoßen wäre und ich
     nicht alles versucht hätte, um ihn da wieder rauszuholen.«
    In dem Moment kam die junge Bedienstete im blauen Kleid mit einem Tablett voller Kaffeegeschirr und Kekse zurück in das Zimmer.
     Sie stellte es auf den Glastisch und wollte die Tassen verteilen, doch Thea nickte ihr freundlich zu. »Lassen Sie nur, Joanna,
     wir schaffen das schon, vielen Dank.«
    Joanna lächelte, ließ das Tablett stehen und zog sich zurück.
    Thea schob Florian ein Espressotässchen über den Tisch. »Woher wissen Sie, dass David vermisst wird?«
    Er antwortete, ohne nachzudenken. »Walter hat es mir erzählt, Sie kennen doch Walter? David und ich waren vor ewigen Zeiten
     mit ihm befreundet.«
    Jetzt lügst du sie doch an!, schoss es ihm durch den Kopf.
    »Ja, natürlich   …« Sie rührte in ihrer Tasse. Als Flo ihr kurz ins Gesicht sah, bemerkte er den Anflug von Dunkelheit, der sich um Theas große,
     schöne Augen gelegt hatte. »Es stimmt schon, David ist verschwunden«, sagte sie.

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