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Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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Darüber fand er in keiner der
     Rezensionen eine zufriedenstellende Auskunft.

17
    »Richtig viel Glück hat David mit seinen Filmen bisher ja nicht gehabt.« Thea lächelte. »Die meisten sind entweder zerstört,
     nicht fertig geworden oder unter Verschluss.«
    Unter den Informationen, die ihm die Archivarin geschickt hatte, hatte Florian zu guter Letzt gefunden, dass niemand anders
     als Thea Harloff die Kostüme für »Das Corps« gefertigt hatte. Er hatte nicht gezögert, sie anzurufen. Zu seiner Erleichterung
     hatte sie sich gefreut, von ihm zu hören, und vorgeschlagen, gemeinsam im Einstein in der Kurfürstenstraße zu Mittag zu essen.
     
    Als er das Lokal betrat, wartete sie bereits an einem der Tische auf ihn. Nach einer herzlichen Begrüßung, Flos umständlicher
     Entschuldigung dafür, dass er sich neulich nicht mehr von ihr verabschiedet hatte – Thea kannte »Das Auge« ja und hatte dafür
     Verständnis   –, sowie der Vereinbarung, sich am besten einfach zu duzen, bestellten beide den Lammrücken vom Tagesmenü und zusammen ein
     großes Mineralwasser. Kurz darauf kamen sie auf David zu sprechen, und Flo erzählte von dem Bonusmaterial, das er auf der
     DVD gefunden hatte, von dem Interview, und davon, dass David auch seine anderen Filme erwähnt hätte. Dabei sei ihm, Flo, aufgefallen,
     wiewenig er von Davids anderen Arbeiten wusste, zum Beispiel vom »Corps«.
    Thea griff nach ihrer Tasche. »Als du am Telefon sagtest, dass du mehr über ›Das Corps‹ wissen wolltest, dachte ich gleich,
     dass es vielleicht eine gute Idee wäre, dir ein paar Standfotos von dem Film mitzubringen.«
    Sie fischte eine Reihe von Fotos aus der Tasche und reichte sie Flo über den Tisch. Er warf einen Blick darauf. In den Kritiken
     waren immer die gleichen Bilder abgedruckt gewesen: Großaufnahmen der Hauptfigur und ein verwinkeltes Haus, das aussah wie
     eine Burgimitation aus dem 19.   Jahrhundert. Auf Theas Fotos hingegen war eine Handvoll junger Männer zu sehen, die in seltsamen Uniformen durch ein hohes,
     holzgetäfeltes Zimmer schritten. Die zusammen aßen, zusammen Sport trieben. Besonders die Uniformen fielen Flo auf. Obwohl
     sie auf den ersten Blick fast lustig und farbenfroh wirkten, erschienen sie bei näherem Hinsehen doch ungewöhnlich. Sie gaben
     den Männern ein regelrecht gewalttätiges Aussehen.
    »Die Uniformen hier sind von dir, oder?« Flo sah zu Thea. »David hat ›Das Corps‹ ’96 gedreht, da musst du ja noch ziemlich
     jung gewesen sein.«
    Thea nickte. »Ich war Modestudentin an der Kunsthochschule und machte gerade ziemlich verrückte Sachen. Viel mit Polyester,
     mit High-Tech-Fasern, zum Teil auch mit Plastik. Auf einer Party hatte jemand David von meinen Arbeiten erzählt. Er suchte
     zu der Zeit einen Kostümbildner für seinen Abschlussfilm und kam zu mir. Ich zeigte ihm ein paar Stücke, und er war recht
     beeindruckt.«
    Flo schenkte ihr aus der Mineralwasserflasche ein, die der Kellner ihnen hingestellt hatte.
    »Ursprünglich war ich gar nicht daran interessiert, für Filme zu arbeiten«, fuhr Thea fort. »Ich wollte lieber Sachen entwerfen,
     die wirklich getragen werden. Aber dann fing ich doch an, mich für David und sein Projekt zu interessieren. Meine ersten Entwürfe
     gefielen ihm so gut, dass er mich nicht mehr gehen lassen wollte. Er stellte mir ein außergewöhnliches Budget zur Verfügung,
     so viel hatte ich bis dahin noch für kein Kleid ausgeben können.«
    Sie tippte auf eines der Fotos, die Flo wieder auf den Tisch gelegt hatte. Darauf waren die Männer in dunklen Anzügen beim
     Essen zu sehen. »Nicht nur die Uniformen waren von mir. Auch diese Anzüge hier, jedes Kleidungsstück, das in dem Film auftaucht,
     habe ich extra designt. Das war der Hauptgrund für mich, bei dem Projekt mitzumachen. Es ging darum, sozusagen eine ganze
     Kollektion zu entwerfen. Das war eine einmalige Gelegenheit, die Gestaltung einer ganz eigenen Welt, weißt du.«
    Flo nickte. »Ich habe versucht, eine Kopie von dem Film aufzutreiben. Aber es ist wie verhext, niemand kann mir weiterhelfen.«
    »Das kann ich mir vorstellen.« Thea steckte die Fotos wieder in ihre Tasche. »Ich bin froh, dass es die Standfotos gibt, sonst
     wäre von der ganzen Arbeit überhaupt nichts mehr übrig.«
    Flo stutzte. »Wieso das denn?«
    »›Das Corps‹ war kein Low-Budget-Film wie ›Das Auge‹ oder die anderen Abschlussfilme der Akademie. Es war sogar eine ziemlich
     große Produktion.«

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