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Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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gelaufen. Nicht gerade in jedem
     Kino, aber in Madrid gab es zwei, drei Häuser, die ihn eine Zeit lang im Repertoire gehabt hatten. Nach drei Wochen allerdings
     war er plötzlich wieder aus den Sälen verschwunden. Und ausgerechnet in diesen drei Wochen hatte Flo einfach keine Zeit gehabt,
     ins Kino zu gehen.
    Als er erfahren hatte, dass der Film überraschend abgesetzt worden war, hatte er natürlich wissen wollen, wieso. Dass keine
     Zuschauer mehr gekommen waren, war jedenfalls nicht der Grund, denn »Das Corps« hatte in jeder Woche mehr Leute angezogen.
     Als er ein wenig nachgeforscht hatte, hatte er herausbekommen, dass die Verleihfirma nicht nur in Spanien, sondern global
     sämtliche Kopien eingezogen hatte, die auf den Markt gekommen waren. Das Material war angeblich nicht einwandfrei gewesen.
     Es war die Rede davon, dass das Orginalnegativ und damit auch die Vorführkopien nicht richtig farbbestimmt gewesen seien.
     Aber wieso war der Verleih erst drei Wochen nach Kinostart auf die Idee gekommen, dass die Kopien technisch mangelhaft waren,
     hatte sich Florian gewundert. Hatte das denn vorher niemand bemerkt? In Madrid hatte ihm damals jedoch niemand seineFragen beantworten können. Und mit David hatte er in jenen Tagen nur noch selten telefoniert. Bald waren es wieder ganz andere
     Dinge gewesen, über die er sich den Kopf zerbrechen musste, sodass »Das Corps« für ihn in den Hintergrund getreten war.
    Als er jedoch jetzt wieder daran dachte, fiel ihm auf, dass der Film auch später nicht mehr ins Kino zurückgekommen war. Hätte
     der Verleih nicht farbkorrigierte Kopien ausliefern müssen? Ganz offensichtlich konnte man mit dem »Corps« doch gutes Geld
     verdienen – warum war also nie eine neue, technisch einwandfreie Kopie aufgetaucht?
     
    Nach einem raschen Frühstück begann er, in seinem Hotelzimmer das Telefon zu bearbeiten. Was er damals immer wieder aufgeschoben
     hatte, wollte er jetzt endlich nachholen. Er wollte »Das Corps« sehen, und zwar möglichst heute noch. Irgendwo musste doch
     eine Kopie davon aufzutreiben sein! Die Videothek, bei der er »Das Auge« gefunden hatte, schied als Quelle allerdings aus.
     Der Kahlkopf hinter dem Tresen hatte ja eindeutig gesagt, dass er nur diesen einen Film von Mosbach hatte. Also rief Flo bei
     der größten Buchhandlung Berlins an und versuchte, den Film als Kauf-DVD oder -Videokassette zu bestellen. Doch das führte
     nicht weit. Die nette Frau aus dem Callcenter, die seinen Anruf entgegennahm, fand von Mosbach rein gar nichts in ihrem Katalog.
     Aber sie hatte einen Tipp für ihn: einen Laden, ebenfalls in Berlin, der auf den weltweiten Import von DVDs und Videokassetten
     spezialisiert war. Doch auch dort Fehlanzeige. »Das Auge« konnten sie zwar liefern, »Das Corps« jedoch nicht.
    Langsam wurde Flo unruhig. Das war kein Film aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, von diesen Filmen waren inzwischen ja
     einige verschollen. »Das Corps« war aus den neunziger Jahren. Wie war es möglich, dass ein Streifen, der erfolgreich im Kino
     gelaufen war, nicht mehr aufzufinden war?
    Sein dritter Anruf verband ihn mit der Berliner Filmstelle des Bundesarchivs, da er wusste, dass jeder deutsche Produzent
     eine Kopie seines fertigen Films dort zu hinterlegen hatte. Wieder eine freundliche Frauenstimme am Apparat, diesmal die Archivassistentin.
     Der Titel, den Flo ihr nannte, sagte ihr etwas. »Das Corps«, ja, sie erinnere sich, der Film hätte doch seinerzeit beträchtliches
     Aufsehen erregt. Sie fand den Titel auch tatsächlich binnen Sekunden in ihrem Computer, zusammen mit einer knappen Inhaltsangabe.
    »Geschichte eines jungen Mannes, der Mitglied einer Studentenverbindung wird«, las sie vor. »Fesselnde Charakterstudie des
     siebenundzwanzigjährigen David Mosbach. Spezialpreis der Jury in Cannes, Silberner Bär für den Hauptdarsteller bei der Berlinale
     1997.«
    Keine Frage, es war der Film, den Flo suchte. Doch als er sich erkundigte, ob er noch am selben Tag vorbeikommen und sich
     eine Kopie ansehen könne, musste die junge Frau passen. Erstens sei es erst seit 1998   Pflicht, eine Kopie im Archiv zu hinterlegen, und zweitens fehle die Belegkopie noch.
    Enttäuscht fragte Flo nach der Produktionsfirma, die den Film damals hergestellt hatte. David hatte den Film ja nicht aus
     seiner Studentenbude heraus produziert, da hatte Geld dahintergesteckt, also musste es auch eineFirma geben, die die Organisation damals in der Hand gehabt

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