Davids letzter Film
dem Schatten, den der Schirm der kleinen
Lampe warf, und er schwieg.
Flo holte Luft. »Vielleicht sollten Sie lieber versuchen, ihm zu helfen, anstatt ihn zu verdächtigen!«
»Ich glaube nicht, dass Mosbach in Gefahr ist.« Riemschneiders Stimme klang klar, kühl und gefasst aus dem Halbschatten zu
Florian herüber. »Ich glaube, dass die Gefahr von ihm ausgeht.«
21
Flo war froh, als er zurück im Savoy die Hotelzimmertür hinter sich zuwerfen konnte. Sein Kopf schmerzte, als würde er zwischen
zwei Mühlsteinen zermahlen. Aber nach zwei Aspirin, die er in seinem Kulturbeutel fand, ließ der Schmerz langsam nach. Eine
halbe Stunde lang blieb er mit dem Gesicht im Kissen auf dem Bett liegen und ließ dem Aspirin Zeit zu wirken. Dann zog er
sich aus, wusch sich, schlüpfte in ein frisches Hemd und schnappte sich ein eisgekühltes Bier aus der Minibar. Das würde bei
den Kopfschmerzen vielleicht nach hinten losgehen, aber das brauchte er jetzt. Er öffnete es und schaute gedankenverloren
aus dem Fenster auf das Kino gegenüber. »Verbotene Filme«, hatte Riemschneider gesagt. Was genau sollte das heißen?
Mit der Flasche in der Hand rief er bei der Rezeption an und ließ sich erklären, wie er mit dem Notebook, das er aus Madrid
mitgebracht hatte, vom Hotelzimmer aus online gehen konnte. Es war kein Problem. Sie hatten einen Netzwerkanschluss, der zu
der Karte in seinem Rechner passte. Florian nahm einen Schluck aus der Flasche und baute seinen Computer auf. Zwei Minuten
später loggte er sich ein.
Splatter, Horror, Slasher, Gore. Florian hatte sich niesonderlich dafür interessiert. Während er die ersten Suchmaschinenergebnisse überflog, wurde ihm klar, dass die Horrorfilm-Fangemeinde,
die mit dem Aufkommen des Videovertriebs Mitte der Achtziger entstanden war, nie aufgehört hatte zu wachsen. Die Liste der
in Deutschland indizierten Filme umfasste inzwischen weit über hundert Titel. Offensichtlich machten sich in letzter Zeit
besonders deutsche Regisseure als Schlachtmeister einen Namen. Jörg Buttgereit hatte den Anfang gemacht, Flo erinnerte sich
noch gut an »Nekromantik« und den »To desking «. Seine Jünger hießen heute Ittenbach, Holzner oder Schnaas – die düsteren Stars des »German Gore«. Der Vertrieb ihrer Filme
war zum Teil streng verboten. Und das sollte etwas heißen. Denn japanische Schocker, die das Revival des Genres Ende der Neunziger
eingeleitet hatten, Filme, in denen ein Mann einer Frau bei lebendigem Leibe die Brust abschneidet und sie verspeist oder
in denen ein hilflos Gefesselter von einer Frau genüsslich mit einem heißen Draht zerteilt wird, waren ohne Weiteres in den
einschlägigen Videotheken zu bekommen.
Je länger Flo recherchierte, desto mehr stieß ihn ab, was er erfuhr. Gleichzeitig ergriff ihn aber auch eine unfreiwillige
Neugier. Was war erst in den verbotenen Filmen zu sehen, wenn solche Szenen erlaubt waren? Der Schock über »Audience« saß
noch tief. Und doch fragte er sich unwillkürlich, wie weit die Fantasie in dieser grafischen, bösartigen Richtung inzwischen
wohl ging.
Aber so sehr er sich auch bemühte herauszufinden, wo in Berlin die Uncut-Versionen der Indexfilme seit »Cannibal Holocaust«
zu bekommen waren, kam er imNetz doch nicht weiter. Kein Wunder. Wer veröffentlichte schon, dass er illegalen Aktivitäten nachging? Auch die Suche unter
dem Stichwort »Audience« brachte keine brauchbaren Ergebnisse. Außerhalb von ein paar Foren, in denen mit dem üblichen Internet-Halbwissen
darüber diskutiert wurde, tauchte der Film nicht auf.
Kurzerhand notierte Florian sich ein paar von den indizierten Titeln, trank das Bier aus und verließ das Hotel.
Wenig später betrat er die Videothek in Schöneberg, in der er schon »Das Auge« bekommen hatte. Der Kahlkopf von neulich grinste
ihm entgegen. Flo legte die DVD auf den Tisch und begann beiläufig zu erzählen, dass er auch heute wieder auf der Suche nach
einem außergewöhnlichen Film sei. Der Videothekar hinterm Tresen musterte ihn schweigend.
»Zum Beispiel ›Dark Rock‹«. Es war Flo so peinlich, als würde er einen Hardcore-Porno bestellen.
»Von Holzner?«
Florian nickte.
Der Typ stülpte die Unterlippe vor. »Hamm wa nich.« Er wirkte betont ruhig.
»Was ist mit ›Burning Moon‹?«
Der Kahlkopf lehnte sich auf den Tresen. »Willst du mich verarschen?« Das Gutmütige war weg. »Die Filme sind indiziert. Ich
verlier meine Lizenz,
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