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Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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einer von ihnen plötzlich an, konvulsivisch zu zucken. Eines der Mädchen wimmerte immer durchdringender und riss sich langsam
     die Kleider vom Leib. Ein Junge taumelte aus dem Zimmer, nachdem seine Nase heftig zu bluten begonnen hatte. Das Paar neben
     ihm fiel, wie von einem Liebestrank gesteuert, ungezügelt übereinander her. Und schließlich begann der, der minutenlang gezuckt
     hatte, wieder und wieder seine Faust mit großer Wucht ins eigene Gesicht zu schlagen. Als die Schläge nicht nachließen,sondern immer gewaltsamer wurden und mit einem deutlichen Knirschen gar sein Nasenbein zu bersten schien, sprangen die beiden
     Aufpasser hinter dem Fernseher hervor, um ihn zu überwältigen.
    An diesem Punkt wurden die Aufnahmen aus der Wohnung schlagartig unterbrochen, und ein Neurologe der Tokioter Universität
     kam ins Bild. Er hatte mehrere Tafeln mit abstrakten Bildmustern hinter sich aufgestellt und erklärte, dass die soeben gesehene
     Wirkung der fraglichen Videos zunächst zwar überrasche, dass es für dieses scheinbar rätselhafte Phänomen jedoch durchaus
     Erklärungen gebe, wenn man sich die Muster genauer ansehe, die die Betroffenen angeschaut hätten.
    »Wenn man sich erst einmal darauf einlässt, wirkt es ganz überzeugend, oder?«, hörte Flo Melzer neben sich sagen. »Aber alle
     Personen, die Sie da sehen, sind Schauspieler.«
    Florian warf ihm einen kurzen Blick zu. »Ach ja?«
    Melzer stoppte das Band. »Mosbach hat das zugegeben. Die ganze unsägliche Geschichte ist frei erfunden.«
    »Das hat er zugegeben?«
    »Ja. Sie können sich vielleicht vorstellen, dass die Polizei ihn umgehend befragt hat, nachdem die Sache gelaufen war. Und
     er hat es gleich von vornherein eingeräumt. Sowohl die Interviews als auch die Bilder hat er selbst inszeniert. Es sei gar
     nicht seine Absicht gewesen, irgendjemanden damit einfach nur zu täuschen.«
    »Ach.« Florian drückte wieder die Playtaste.
    Der Tokioter Wissenschaftler hatte das Wort. »Unsere Netzhaut ist nichts anderes als eine Ansammlung von Millionen von Rezeptoren«,
     hörte man die Stimme desdeutschen Sprechers über dem O-Ton des Japaners. »Wenn auf diese Schnittstelle bestimmte Muster treffen, kann es zu mentalen Phänomenen kommen, die alles, was
     wir bisher kennengelernt oder erfahren haben, bei Weitem übertreffen. Entscheidend dabei ist, wie genau diese Muster strukturiert
     sind. Im Grunde genommen funktionieren die Videos, die sich diese Jugendlichen ansehen, wie eine Droge, die aber weder oral
     noch intravenös noch als Rauch eingenommen wird – sondern eben über die Augen.«
    Die Bilder der japanischen Teenager, die sich tiefer und tiefer in ihre Ekstase verstrickten, liefen weiter. Dazu setzte erneut
     die Stimme des Kommentators ein.
    »Wir wollten es genauer wissen: Was ist dran an diesen Effekten? Doch wir müssen Sie warnen. Im weiteren Verlauf unserer Analyse
     werden Teile der Videos selbst zu sehen sein. Die Wirkung der Bilder ist nach wie vor heftig umstritten und wird untersucht.
     Wir haben mit der Sendeleitung lange darüber diskutiert, was davon gezeigt werden kann, und uns schließlich darauf geeinigt,
     Sie ausdrücklich auf die möglichen Nebenfolgen einer Sichtung der Bilder hinzuweisen. Kinder und Jugendliche unter achtzehn
     Jahren dürfen den folgenden Bildern keinesfalls ausgesetzt sein. Wenn Sie Epileptiker sind oder in neurologischer beziehungsweise
     kardiologischer Behandlung, möchten wir Sie dringend bitten, ihr Gerät   – Bild und Ton –
jetzt
abzuschalten. Wenn Sie unter Albträumen leiden oder sich in einer schwierigen psychischen Phase ihres Lebens befinden, möchten
     wir Sie ebenfalls bitten, das Gerät
jetzt
abzuschalten.«
    Diesmal war es Flo, der das Band stoppte. »Wenn HerrMosbach gar nicht wollte, dass man das alles glaubt, wieso hat er sich dann die Mühe gemacht, es so zu inszenieren?«
    Melzer zuckte die Schultern. »Wir haben damals stundenlang mit ihm darüber gesprochen. Warum, wieso, weshalb?! Für Mosbach
     war das eine ganz klare Sache. Er meinte, er wolle in dem Film ›mit den Illusionen spielen‹ und den ›Argwohn schüren‹. Ich
     erinnere mich genau, das waren seine Worte, er hat diese Wendungen mehrfach benutzt.«
    »Hm.« Das kam Flo bekannt vor.
Mit den Illusionen spielen.
Das war es doch, was David nach dem »Corps« machen wollte und wovon er in dem Brief geschrieben hatte. Die Tokio-Doku war
     nach dem »Corps« für ihn offenbar der nächste Schritt. Der

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