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Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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alles ganz schnell – ein Lieferwagen   …« Jetzt war sie es, die Flo am Arm berührte. »Wissen Sie, so einer vom Handwerker   –«
    Flo ließ sie stehen, eilte auf den Eingang des Bungalows zu. Ihm war, als hätte ihm jemand Watte in die Ohren gestopft, als
     bewege sich alles in Zeitlupe. Auf den Gehwegplatten im Vorgarten ringelte sich eine feine Spur klebriger Tropfen. Blut. Flo
     folgte der Spur. Durch die offene Haustür hinein in den Bungalow.
    Sie hatten Hannes im Wohnzimmer aufs Sofa gelegt. Menschen liefen durcheinander, flüsterten. Flos Blick fiel auf Hannes’ Gesicht.
     Die Züge des Kameramanns hingen schlaff herunter, aus seinem Mund tropfte Flüssigkeit. Die Augen waren offen. Und starr.
    Wie in Trance trat Flo an das Sofa. Im selben Augenblick hörte er ein raues Kreischen hinter sich. Er fuhr herum. Erschrocken.
     Betroffen. Verstört. Da sah er sie kommen.
    Hannes’ Frau. Sie stürzte sich auf ihn. Ihr Ausdruck war verzerrt, auf dem Arm hielt sie ihre Tochter. Strähnen ihres weichen,
     blonden Haars klebten ihr im Gesicht, nass von Tränen, Speichel und kaltem Schweiß. Sie schrie aus vollem Hals, Flo ins Gesicht.
     Erst verstand er nicht, was sie sagte. Dann dämmerte es ihm. Sie schrie seinen Namen. Sie schrie, was er hier suche. Was er
     mit ihrem Mann gemacht habe. Was sie von ihm wollten.
    Das Kind auf ihrem Arm war von den Schreien der Mutter vollkommen verstört. Es weinte, versuchte mit seinen kleinen Händen,
     ihr den Mund zuzuhalten. Aber sie schob die Händchen der Tochter immer wieder beiseite.
    Ein paar von den Nachbarn versuchten sie zu beruhigen. Doch der Schock über den Unfall ihres Mannes schien der Frau fast den
     Verstand geraubt zu haben. Sie begann mit der freien Hand auf Florian einzuschlagen. Er nahm sie wie durch einen Schleier
     wahr, bemerkte zugleich aber auch, dass die Stimmung unter den Nachbarn langsam umschwenkte. Dass sie anfingen, ihn zu beäugen,
     dass das Gefühl, der verzweifelten Frau helfen zu müssen, in ihnen immer zwingender wurde. Schon waren ihre Blicke misstrauisch
     geworden, schon begann sich der Kreis zusammenzuziehen, in dem die anderen um sie herumstanden.
    Florian blieb keine Wahl. Unverständliche Floskeln murmelnd schob er Hannes’ Frau beiseite, stieß einen fetten Kerl vor die
     Brust, der sich ihm in den Weg stellen wollte, stolperte durch das Haus und gelangte endlich nach draußen, in den Vorgarten,
     vor dem im selben Moment die Ambulanz hielt. Ihr stummes Blaulicht tauchte die Auffahrt in hektische Blitze. Sanitäter sprangen
     aus dem Wagen, rissen mit lautem Klackern eine Trage heraus, eilten zielstrebig an Florian vorbei in das Haus.
    Mit wenigen Schritten durchmaß er die Auffahrt. In seinem Kopf brauste es, seine Kehle war trocken, die Augen schmerzten.
     Ihm war, als bekäme er kaum noch Luft. Nur weg hier, bevor sie ihn aufhielten, hämmerte es in seinem Schädel.
    Als er die Straße erreicht hatte, drehte er sich noch einmal um. Der Vorgarten war leer, für einen Augenblick schienen sich
     alle im Bungalow zu befinden. Erst als er zur Haustür blickte, sah er sie. Sie stand auf der Schwelle, genau wie vorhin, als
     er Hannes geholt hatte, und blickte ihm nach. Hannes’ Tochter. Die Augen weit aufgerissen, das zarte Kinn unter dem Mund zitternd.
    »Papa da?«
    Es war nur ein Stimmchen, aber es traf ihn wie eine Nadel, die durch die Watte in seinen Ohren hindurchstach und das Trommelfell
     dahinter durchbohrte.
    Er wandte sich ab. Und rannte.

24
    Als Thea ihm eine gute Stunde später die Tür öffnete, erschrak sie. Der Schock über Hannes’ Unfall hatte sich in Florians
     Gesicht gegraben.
    Sie stellte keine Fragen und ließ ihn herein.
    Nachdem er erzählt hatte, was passiert war, saßen sie lange stumm im Wohnzimmer. Thea auf dem blau-weiß gestreiften Sofa,
     er auf dem Sessel gegenüber.
    Nach einer Weile stand Florian auf und ging zum Fenster. Die Abendsonne war durch die dichte Wolkendecke gebrochen und schien
     in den Garten. Das bisschen Schnee, das liegen geblieben war, begann rasch wegzuschmelzen.
    »Hannes war früher oft hier«, hörte er Thea hinter sich sagen. »In letzter Zeit nicht mehr, aber noch vor einem Jahr haben
     wir fast jede Woche an einem Abend zusammen gegessen. Er liebte den großen Grill im Garten. Manchmal hat er seine Frau und
     die Kleine mitgebracht. Dann haben wir Steaks gegrillt und bei gutem Wetter draußen gegessen. Für seine Tochter war das das
     Größte.«
    Flo sah die Augen

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