Davids letzter Film
erklären, aber ich fand die ganze Sache ziemlich verdreht. Doch davon wollte er
nichts hören. Es ginge nicht darum, das Immergleiche immer wieder zu imitieren, sondern darum, etwas Neues zu machen, schimpfte
er.«
Flo musste lächeln. »Was Neues machen. Das kenn ich. Das hat er immer gesagt.« Er nahm den Holzrahmen mit der Papierserviette
hoch, um die Skizze besser anschauen zu können.
Bei näherem Hinsehen zeigte sich, dass David einen Filmprojektor gezeichnet hatte, der einen Film auf eine Leinwand warf.
Und was in dem Film zu sehen war, hatte er ebenfalls gezeichnet: Es war ein Projektor, der wiederum einen Film auf eine Leinwand
warf. Insgesamt waren es also zwei Projektoren und zwei Filme, die man sehen konnte. Wie bei einem Kinderbuch, auf dessen
Titelblatt der gestiefelte Kater ein Kinderbuch in der Hand hält, auf dessen Titelblatt ein gestiefelter Kater ein Kinderbuch
in der Hand hält.
Die zweite, kleinere Leinwand in Davids Skizze war fast leer, obwohl er mit ein bisschen Geschick auch auf diese Leinwand
noch einen Projektor hätte zeichnen können. Stattdessen hatte er nur »F3« auf die Leinwand gekritzelt. Ebenso wie er auf die
erste Leinwand »F2«, und noch darunter »F1« geschrieben hatte. Außerdem hatte er das Ganze mit einem Kasten umrahmt und darüber
»F3=F1« notiert.
»Wie gesagt, ich hab nie verstanden, um was es David bei dem ›Metafilm‹ wirklich ging«, sagte Thea, die sichzusammen mit Flo über die Skizze gebeugt hatte und ihm jetzt einen Seitenblick zuwarf. »Es war mir richtig peinlich. Ich wusste
ja, dass etwas dahinterstecken musste, dazu hatte ich lange genug mit ihm zusammengearbeitet.« Sie richtete sich wieder auf
und strich sich nachdenklich eine Augenbraue glatt. »Aber es war wohl eine Geschmacksfrage. Zu dem Projekt fehlte mir einfach
der Zugang.«
Flo stellte die Zeichnung wieder auf den Schreibtisch und ließ den Blick über das Zimmer gleiten. »Gibt es hier noch andere
Aufzeichnungen oder Entwürfe zu dem Film?«
Thea deutete auf die Papiere in den Regalen hinter dem Schreibtisch. »Die Unterlagen zum ›Metafilm‹ befinden sich vor allem
dort. David hat monatelang über dem Projekt gebrütet. Ach was, Jahre! Die meiste Zeit saß er hier oben und tüftelte an irgendwelchen
Zeichnungen und Texten herum. Ich fürchtete schon, er würde sich völlig verirren. Aber ich traute mich nicht, ihm das zu sagen.
Jedesmal wenn ich eine Andeutung in der Richtung machte, wurde er schrecklich wütend. Wenn ich meinte, er sollte die Sache
vielleicht erst einmal sacken lassen oder etwas anderes versuchen, rastete er regelrecht aus und sprach tagelang kein Wort
mehr mit mir. Nur um irgendwann zu zischen, dass er sich mehr von mir versprochen hätte, als dass ich ihm ausgerechnet dann
in den Rücken falle, wenn er sich in einer schwierigen Phase befände.«
»Es ist nie was draus geworden?«
Thea lehnte sich gegen den Schreibtisch. »Doch. Anfang 2004 wurde er richtig euphorisch. Er meinte, er würde den Film revolutionieren,
er hätte es geschafft.Und er traf sich mit den Produzenten der deutschen Tochterfirma eines U S-Studios . Die Amerikaner waren durch die ersten Aufführungen des ›Corps‹ auf ihn aufmerksam geworden und hatten sich auch die Tokio-Doku
kommen lassen. Beides hatte sie schwer beeindruckt. Sie wollten unbedingt etwas mit ihm machen. Aber erst als David das Konzept
des ›Metafilms‹ fertig im Kopf hatte, hat er sie angerufen. Nachdem sie sich getroffen hatten, meinte er, dass sie ganz begeistert
von seinem Konzept seien. Sie würden ihm nicht nur gute Schauspieler bezahlen, sondern das Ganze auch mit einem ordentlichen
Budget für Effekte ausstatten. Insgesamt achtzehn Millionen wollten sie investieren, es sollte der mit Abstand teuerste deutsche
Film des Jahres werden.«
Flo pfiff durch die Zähne.
Thea nickte. »David brannte darauf, endlich wieder zu drehen. Das Letzte, was er gemacht hatte, die Tokio-Doku, war da schon
fast sechs Jahre her. Effekte, Stars, große Kulissen – ihm schwebte ein Blockbuster vor, in dem er Sachen perfektionieren
wollte, die er zuerst nur für einen kleinen Experimentalfilm entworfen hatte, die aber – davon war er fest überzeugt – auch
in einem teuren Hochglanzfilm ganz wunderbar funktionieren würden, wenn man sie nur richtig verpackte. Und zunächst schien
er damit auch richtigzuliegen. Das Studio unterstützte ihn bei allen seinen Einfällen, es lief
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