Davids letzter Film
schweigend.
»Es kann doch nicht sein, dass David wie vom Erdboden verschluckt ist«, fing Flo wieder an. »Irgendwo muss er doch stecken!
Vielleicht ist er tot. Okay. Aberdann will ich die Leiche sehen, auch wenn das makaber klingt.«
Thea blickte ihn stumm an.
Flo fuhr sich durchs Haar. »Was ist, wenn er unsere Hilfe braucht? Es kann tausend Gründe geben, weshalb er keinen Kontakt
zu uns aufnimmt.« Er sah sie an. »Jetzt sind wir dran, Thea. Wir müssen versuchen herauszubekommen, was wir für ihn tun können.
Und dazu muss ich wissen, was du weißt.«
Was er sagte, schien nicht spurlos an ihr vorüberzugehen. »David hat schon immer viele Sachen gleichzeitig gemacht«, sagte
sie endlich leise. »Ich habe noch nie über alles Bescheid gewusst. Er wollte das nicht. Und ich wollte es auch nicht. Kann
sein, dass er Sachen gemacht hat, die indiziert worden sind.« Sie zog leicht fröstelnd die Schultern hoch. »Mich hat die Polizei
auch schon danach gefragt, aber ich konnte ihr nicht helfen.«
Von einer polizeilichen Befragung hatte ihm Thea bisher gar nichts erzählt, musste Florian unwillkürlich denken. Aber er sagte
etwas anderes. »Ich bin mir sicher, dass Davids Verschwinden etwas mit seiner Arbeit zu tun hat. Ist er untergetaucht, weil
er ein paar Horrorvideos gedreht hat? Das kann ich mir nicht vorstellen! Mit Sicherheit steckt mehr dahinter. Aber was? Seit
zwanzig Jahren geht er mit seiner Arbeit einen ganz bestimmten Weg. Von nichts würde er sich dabei aufhalten lassen.«
Er beugte sich hinunter und ergriff vorsichtig ihre beiden Arme, die sie noch immer verschränkt hielt. »Ich will wissen, was
das für ein Weg ist, Thea. Wo er hinführt.«
Sie entwand sich nicht seinem Griff. Aber ihr Gesichtblieb undurchdringlich. »Warum sollte ich dir vertrauen?«, sagte sie.
»Weil David dir von mir erzählt hat«, erwiderte Flo. »Wenn er sich auf jemanden verlassen würde, dann auf mich. Du hast mit
ihm zusammengelebt. Du musst doch wissen, an welchen Projekten er gearbeitet hat!«
Thea starrte ihm gedankenversunken ins Gesicht. »Nach dem ›Corps‹ hat er eine Dokumentation gedreht«, sagte sie endlich langsam,
aber bestimmt.
»Die Tokio-Sache?«
Sie nickte.
»Und danach?«
»Danach hat er an einem Projekt namens ›Metafilm‹ gearbeitet, dann an ›Tabu‹. Die beiden letzten Projekte sind aber bis heute
nicht fertig geworden.«
Flo ließ sie los und richtete sich wieder auf. »Was ist mit ›Audience‹?«
»›Audience‹? Ja, davon habe ich auch schon gehört. Aber dazu kann ich dir nichts sagen. Ich weiß nicht einmal, ob es überhaupt
von David ist«, antwortete sie. »Auch über ›Tabu‹ kann ich dir nichts sagen. Das Projekt hat er komplett abgeschirmt, auch
vor mir. Nur der ›Metafilm‹ –«
»Ja?« Gebannt starrte Flo sie an. »Was ist damit?«
Thea löste ihre Arme, griff nach ihrem Pferdeschwanz, legte ihn über die Schulter nach vorn und schaute Flo nachdenklich an.
»Komm«, sagte sie schließlich, »ich zeig dir was. Vielleicht wirst du ja daraus schlau.«
Flo atmete auf. Wie schön sie war!
25
Durch das Haupttreppenhaus der Villa führte Thea ihn in den ersten Stock. Über die Galerie, die man vom Wohnzimmer aus sehen
konnte, gelangten sie in den Seitenflügel, von dem aus eine Wendeltreppe hinauf in den Turm führte. Im obersten Stockwerk
des Turms war Davids Arbeitszimmer eingerichtet. Fasziniert blickte Florian sich um, als sie dort ankamen.
Der Raum nahm die ganze Grundfläche des Turmes ein. Durch die großen Fenster in allen vier Wänden reichte der Blick bis hin
zur Schinkel-Kuppel der Potsdamer Nikolai-Kirche. Unterhalb und zwischen den Fenstern waren die Wände mit maßgeschneiderten
Regalen und Rollschränken ausgekleidet, in denen sich Bücher, Aktenordner, Kassetten, Zeitschriften, Papiere und nicht zuletzt
Filme stapelten. Die Mitte des Raumes wurde von einem schweren, weit ausladenden Schreibtisch beherrscht, der über und über
mit Notizheften, Zeichnungen, Storyboards und Agenturfotos bedeckt war.
Thea zeigte auf eine Skizze, die in einem hübschen kleinen Holzrahmen unter Glas so auf der Tischplatte stand, dass man sie
vom Schreibtischstuhl aus stets im Auge hatte. Ein paar Kugelschreiberstriche auf einer Papierserviette.
»Das war die erste Idee, die David zu dem ›Metafilm‹ hatte«, sagte sie. »Ich war dabei, als er sie in einem Restaurant skizzierte.
Er war ganz aufgeregt, versuchte es mir zu
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