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Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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des kleinen Mädchens vor sich. Aufgerissen und mit dem Entsetzen darin, das ein Kind packt, wenn es merkt,
     dass die Welt um es herum in den Grundfesten wankt.
    »War die Kleine auch da?«
    Er nickte.
    »Ich weiß nicht, worüber sich Hannes und David zerstritten haben«, sagte Thea, »aber eines Tages wollte David nichts mehr
     von Hannes wissen. Er war stinksauer, schrie herum, tagelang, so kommt es mir heute vor. Hannes wäre nichts ohne ihn, er habe
     ihn gemacht, aber Hannes glaube wohl, er sei ihm nichts schuldig.«
    Florian schwieg.
    »Du kennst das sicher«, fuhr Thea fort. »Wenn David sich in etwas hineinsteigert, bekommt er sich einfach nicht mehr in den
     Griff!«
    »Würdest du ihm eigentlich alles verzeihen?«, fragte Flo unvermittelt und wandte sich um.
    »Wem, David?« Sie runzelte die Stirn.
    »Er hat dich ganz schön hängen lassen.«
    »Wir wissen nicht, was passiert ist.«
    »Liebst du ihn noch?«
    »Ob ich ihn liebe?« Fast war es, als spräche sie zu sich selbst. »Lieben.« Sie lauschte dem Klang des Wortes nach. »Er liebt
     mich, hat er gesagt.« Sie blickte Flo an. »Und ich würde ihn lieben, wenn er mich ließe.«
    Ihre Blicke trafen sich. Eine Zeit lang sahen sie sich schweigend an. Dann gab Flo sich einen Ruck. Sie musste ihm helfen.
     Anders würde er niemals weiterkommen. Sie musste ihm sagen, was sie wusste. Über David. Über seine Filme. Über das, was er
     vorgehabt hatte, bevor er verschwand.
    »Ich muss wissen, was mit David passiert ist, Thea«, sagte er.
    Sie sah ihn an. »Um einen besseren Artikel zu schreiben?« Ihre Stimme war nur ein Flüstern.
    »Nach all dem, was geschehen ist?«, entgegnete Flo. »Vergiss den Artikel, den hätte ich längst fertig haben können. Deswegen
     bin ich nicht mehr hier.«
    Sie regte sich nicht.
    »Die letzten Jahre hatte ich immer das Gefühl, zurück nach Berlin kommen zu können, wenn alle Stricke reißen sollten«, begann
     Florian stockend zu sprechen. »Berlin – wo auch David wäre. Das war für mich eine Art Sicherheitsnetz. Erst als mein Redakteur
     anrief und mir erzählte, dass David vermisst wird, wurde mir klar, dass ich diese Option nicht ewig aufschieben kann. Dass
     ich mich entscheiden muss, was ich mit meinem Leben anfangen will.«
    Er kannte sie doch kaum. Wie konnte er derart vertraut mit ihr reden? Das musste sie doch unangenehm berühren. Doch es kam
     ihm so vor, als müsste er ehrlich zu ihr sein, wenn er wollte, dass auch sie ehrlich zu ihm war. Er musste die Schale, mit
     der er sich sonst immer schützte, durchbrechen, um sie zu gewinnen.
    »Deshalb bin ich noch hier«, fuhr er fort. »Ich muss wissen, was dran ist an dem diffusen Gefühl, hier in Berlin noch mal
     von vorn anfangen zu können. Und zwar nicht irgendwas. Mein Leben lang habe ich an den Ideen, an den Vorstellungen, Zielen
     und Träumen festgehalten, die ich in den Gesprächen mit David für mich entdeckt habe. Ich muss wissen, was aus ihm geworden
     ist, um mir über mich selbst klarzuwerden.«
    Sie schwieg.
    Er beugte sich vor, um in ihr Gesicht sehen zu können.
    Sie aber starrte an ihm vorbei aus dem Fenster.
    »Die Polizei behauptet, David habe mit verbotenenFilmen zu tun. Hast du davon etwas gewusst?«, fragte er schließlich. Wenn sie ihn jetzt hinauswarf, war es ihm auch egal.
    »Wieso die Polizei? Hast du mit denen gesprochen?« Ihre Augen wanderten zu ihm und blieben an seinem Gesicht haften.
    »Ja   … Ja, kann man so sagen.«
    »Und?«
    »Sie haben erzählt, dass gegen David ermittelt wird. Sie wollten, dass ich ihnen helfe. Aber was soll ich ihnen erzählen?
     Ich weiß doch von nichts.«
    »Vielleicht ist das ja auch besser so. Hast du dir das schon mal überlegt?« Ihr Blick wurde hart.
    »Ja, habe ich«, erwiderte Flo. Er ging zum Sofa und stellte sich vor sie hin. »Hör zu, Thea. Es hat doch keinen Sinn, darauf
     zu warten, was als Nächstes passiert. Wie stellst du dir das denn vor? Noch ein Unfall? So wie Hannes dalag, glaub ich nicht,
     dass er das überlebt hat. Wir müssen endlich etwas unternehmen!«
    Sie erwiderte nichts.
    »Als ich Hannes vorgestern getroffen habe, war deutlich zu spüren, dass er Angst hatte. Und jetzt stirbt er bei einem Unfall.
     Was ist das? Zufall?«
    Flo starrte sie an. »Aber warum stürzt sich seine Frau auf mich und schreit, dass wir sie in Ruhe lassen sollen. Wir? Wer
     wir, Thea? Was kann ich dafür, dass ihr Mann vor einen Lieferwagen läuft?!«
    Sie verschränkte die Arme, weiterhin

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