Davina
bemuttern ließ. Auch seine Tochter verwöhnte ihn. Seine Familie war ein Bollwerk gegen Zweifel und Selbstverachtung; seine Frau verstand, ohne daß er es ihr zu sagen brauchte, wie sehr er innerlich unter Belezkys Schicksal litt. Sie würde in den Westen kommen. Er war sicher, daß sie kommen würde.
Er tat so, als habe er das Öffnen der Tür nicht gehört. Er wartete, bis Davina das Sofa erreicht hatte, bevor er aufschaute.
»Du hättest nicht auf mich warten sollen«, meinte sie. »Ich bin so schnell ich konnte zurückgefahren.«
»Du siehst zufrieden aus«, sagte er, »du lächelst. Hoffentlich kannst du mich auch zum Lächeln bringen.«
»Ich glaube, das kann ich«, versicherte sie. »Warum isst du um diese Zeit? Hast du kein Abendbrot bekommen?«
Ihre Fürsorge besänftigte ihn. Er hielt ihr die Hand entgegen, und als sie diese ergriff, zog er sie neben sich auf das Sofa.
»Du hast mir gefehlt«, sagte er, »du bist hübscher als Roberts.«
»Vielen Dank.« Davina neigte den Kopf. »Du scheinst in miserabler Stimmung zu sein. Vergiß es. Gib mir einen Drink, und ich erzähl dir, was passiert ist.«
Sasonow hörte zu, ohne sie zu unterbrechen.
»Wir treffen uns also am nächsten Donnerstag. Ist dieser Klub ein sicherer Treffpunkt? Wirst du auch da sein?«
»Nein, ich bin nur der Fahrer, sonst nichts. Der Klub ist ein idealer Treffpunkt. Niemand wird erwarten, daß du einfach dort hineinmarschierst, das kann ich dir versprechen. Und der Brigadier ist sehr einsichtig. Ich habe ihm klargemacht, daß du deine Familie hier haben willst, daß du andernfalls lieber zurückgehst und es darauf ankommen lassen willst. Er weiß genau, wie die Ausgangslage ist, und er hat keine Wortklauberei versucht.«
»Was bedeutet Wortklauberei?« fragte er. »Ich kenne das Wort nicht.«
»Verzeihung. Es bedeutet soviel wie Ausflüchte machen. Du sprichst so gut englisch, daß ich glaubte, du kennst das Wort.«
»Die Gespräche mit dir in diesen langen fünf Monaten haben mir geholfen«, betonte er. »Eigentlich ist Englisch für uns sehr schwierig.«
»Also, jetzt tut sich auf jeden Fall was«, sagte sie. »Du wirst nicht mehr lange in diesem Käfig bleiben. Freust du dich denn nicht?«
»Doch«, antwortete er gedehnt, »doch, ich glaube, ich freue mich. Jetzt können wir ins Bett gehen.«
Sie legte einen Finger auf die Lippen und schüttelte den Kopf. Dann nahm sie Papier und Kugelschreiber aus ihrer Handtasche und schrieb: »Wir müssen vorsichtig sein. In den Zimmern befinden sich Abhörvorrichtungen. Ich habe dir nichts davon gesagt.« Er las die Zeilen und schrieb darunter: »Ich komme später zu dir. Warum hast du ihm nichts gesagt?« Sie kritzelte darunter: »Weil es ihn nichts angeht.« Er blickte zu ihr auf und zerknüllte dann das Papier zu einem langen Fidibus. Sie warf ihn ins Feuer. Er trat hinter sie und küßte sie auf den Nacken.
»Gute Nacht«, sagte er.
»Gute Nacht«, antwortete sie, »schlafen Sie gut.«
Sie gingen in ihre Zimmer, das Sicherheitspersonal wartete anstandshalber einige Augenblicke und ging dann auch schlafen. Während Davina auf ihn wartete, begründete sie vor sich selbst die Tatsache, warum sie White nichts davon erzählt hatte, daß sie mit Sasonow schlief. Es war belanglos, eine Nebensächlichkeit, und deshalb war sie auch nicht verpflichtet, etwas davon zu sagen. Der Umstand, daß sie seine Geliebte geworden war, hatte nichts mit Sasonows Entschluß zu tun oder mit den Bedingungen, die er für eine Zusammenarbeit mit dem SIS stellte. Eigentlich war das Gegenteil der Fall, wenn man bedachte, daß er auf der Wiedervereinigung mit Frau und Tochter bestand. Was zwischen ihm und Davina geschah, war nur ein Zwischenspiel vor dieser Familienzusammenführung. Beruflich wahrte sie die Distanz so, wie sie es immer getan hatte. Das zwischen ihnen bestehende Liebesverhältnis ging niemanden außer sie beide etwas an. Sie drehte weder das Licht an noch sprach sie ein Wort, als er die Tür öffnete. Er legte sich neben sie, und sie schlang die Arme um ihn.
Der Portier im Garrick-Klub war ein umgänglicher bärtiger Mann mit viel Sinn für Humor und einer ganz eigenen Art, mit den Klubmitgliedern umzugehen. Er trat auf den großen, fremdländisch aussehenden Mann zu, der in der äußeren Halle stand. Als er den Namen des Brigadiers hörte, nickte er und führte den Gast die kurze Treppe zur Haupthalle hinauf. »Er ist oben im Rauchzimmer, Sir. Oben an der Haupttreppe, gleich die erste Tür
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