Davina
hatte einfach nicht damit gerechnet, daß Sie mich zum Säufer erklären würden.« Er sah sie ein bißchen schuldbewusst an. »Auch wenn es wahr ist. Müssen Sie wieder zurück, oder können Sie noch bleiben, damit ich Sie zu einem anständigen Abendessen einladen kann? Ich täte es wirklich gern – um Ihnen für Ihre Hilfe zu danken. Und übrigens auch deshalb, weil ich verdammt einsam bin und weil Sie heute abend besonders hübsch aussehen. Sie können doch noch bleiben?«
Sie war unschlüssig. Er sah müde und verloren aus, und die Hand, mit der er die Zigarette hielt, zitterte leicht. Sie wußte, Sasonow würde sich ärgern, wenn sie spät nach Hause kam. Das leere Glas starrte sie an wie ein Auge.
»Ich werde kurz mal telefonieren und hören, ob alles in Ordnung ist«, beschloß sie.
»Da hinten ist eine Telefonzelle«, sagte er. »Sehr gut geeignet, um Rendezvous zu verabreden oder um ein Callgirl für den Abend anzurufen. Hier ist Kleingeld.«
Sie wählte die Geheimnummer von Halldale, und sofort war Roberts am Apparat.
»Ich bin es«, sagte sie, »verbinden Sie mich bitte mit ihm.«
Es trat eine Pause ein, und dann war Sasonows Stimme zu hören. Sie schnitt ihm das Wort ab.
»Ich komme erst spät zurück«, erklärte sie, »ich bin hier zum Abendessen eingeladen.«
»Warum? Ich erwarte dich.«
Sie hörte die Verärgerung in seiner Stimme und lächelte.
»Ich versuche, gewisse Vorbereitungen zu treffen«, sagte sie, »Reisevorbereitungen. Ich bin etwa um zwölf wieder da. Ich schau bei dir hinein, ob du noch wach bist.«
»Ich warte auf dich«, sagte Sasonow, »in deinem Zimmer.«
»Nein«, unterbrach ihn Davina, »nein, tu das nicht. Ich erkläre es dir später. Ich komme zu dir.«
Sie hängte auf. Erklären – erklären mußte sie ihm die Mikrofone und den Geheimspiegel, die von Roberts und seinem Gehilfen bedient wurden. Sie dachte an das Wort, das Sasonow immer gebrauchte. Ein Käfig. Jetzt war es ein Käfig für sie beide … Sie kam zurück und setzte sich wieder zu Peter Harrington. Sie rang sich ein fröhliches Lächeln ab. »In Ordnung«, sagte sie.
»Gut«, meinte er befriedigt. »Verraten Sie mir bitte eines – wird es Ihnen nicht manchmal zuviel, ihn immer bei der Hand halten zu müssen?«
Davina schüttelte den Kopf. »Kein Kommentar. Das ist streng vertraulich. Wo wollen wir essen? Mir ist nach Spaghetti und Rotwein zumute.«
»Und das können Sie bekommen«, lachte er. »Wollen wir dann gehen? Ich kenne ein nettes kleines Lokal in der Lower Belgrave Street.«
Draußen auf der Straße nahm er ihren Arm. »Aber etwas lasse ich mir nicht ausreden«, sagte er und führte sie über die Straße. »An Spencer-Barr ist etwas faul!«
Elizabeth Cole arbeitete seit drei Jahren in der Registratur in der Botschaft in Moskau. Sie war ein molliges, freundliches Mädchen und hatte einen festen Freund beim Sicherheitspersonal. Sie paßte sich unauffällig dem Betrieb an und galt als tüchtig, wenn auch nicht allzu intelligent. Sie hatte für den Geheimdienst gearbeitet, seit sie zweiundzwanzig war, und war über einen Onkel in Whites Dienststelle gekommen. Ihr Onkel war mit einer Sondergruppe des Geheimdienstes mit dem Fallschirm über Frankreich abgesprungen und hatte seither die enge Verbindung mit seinen Kollegen aufrechterhalten. Wie alle Angehörigen ihrer Familie väterlicherseits sprach Elizabeth Cole ebenso fließend französisch wie englisch. Ihre Großmutter stammte aus La Boule, und ihre Kinder und Enkelkinder hatten sich die französische Sprache bewahrt. Äußerlich hatte Elizabeth nichts Gallisches an sich. Sie war ebenso typisch englisch wie Chester-Käse und Mixed Pickles – so beschrieb sie sich jedenfalls selbst. Sie arbeitete in der Registratur der Botschaft, und ihre eigentliche Aufgabe bestand darin, Kontakte mit den russischen Dissidenten in der Hauptstadt zu pflegen.
Sie erhielt ihre Anweisungen vom Chef des Geheimdienstes in der Botschaft und machte sich dienstags um drei Uhr nachmittags auf den Weg. Zuerst ging sie zum Einkaufen in das Warenhaus ›Gum‹ und kaufte nach längerer Suche einen minderwertigen Pullover, den sie gar nicht brauchte. Dann nahm sie einen Bus und fuhr zu einer kleinen Konditorei. Sie suchte sich einen freien Tisch, bestellte Tee und Gebäck und schlug ihre russische Zeitung auf, während sie wartete. Eine Viertelstunde später setzte sich eine junge Frau an ihren Tisch. Auch sie bestellte Tee. Die Konditorei füllte sich mit
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