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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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Laufkunden, die müde und durstig wirkten. Das Stimmengewirr wurde lauter, während die beiden Frauen miteinander sprachen.
    Elizabeth wußte, daß das Mädchen früher Dozentin an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Moskauer Universität gewesen war. Man hatte sie des Dienstes enthoben, weil sie eine Petition für die Freilassung des verhafteten Dichters Wladimir Bokow unterzeichnet hatte. Sie war in Ungnade, aber noch nicht völlig suspekt. Es bestand noch Hoffnung, daß sie an der Universität rehabilitiert werden würde.
    »Was gibt es Neues über die Familie Sasonow?«, fragte Elizabeth auf französisch. Die andere sprach sehr schlecht Englisch.
    »Man läßt sie in Ruhe. Sie leben noch in ihrer Wohnung. Die Tochter darf weiter ihre Vorlesungen besuchen.«
    »Können Sie ihnen eine Nachricht zukommen lassen?«
    »Ich weiß nicht. Das ist sehr schwierig. Ich kann sie nicht selbst ansprechen.«
    »Könnten Sie jemand anderen dafür finden?« fragte Elizabeth. »Wir wollen keinen unserer Leute in Gefahr bringen.«
    »Niemand wagt Kontakt zu ihnen aufzunehmen, außer Polizeispitzeln.«
    »Was hat die Tochter für eine Einstellung? Können Sie das herausfinden?«
    »Ich habe Freunde an der Universität«, sagte sie, »sie versuchen, mir meinen Lehrstuhl wiederzubeschaffen. Ich muß Selbstkritik üben und mich entschuldigen.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Wenn ich gegen die Leute kämpfen will, muß ich es von innen heraus tun. Ich werde tun, was sie von mir verlangen. Ich kann Erkundigungen über Sasonows Tochter einziehen. Wenn es mir gelingt, mit ihr gefahrlos Kontakt aufzunehmen, kann ich ihr vielleicht in der Universität eine Nachricht zukommen lassen. Das ist die einzige Möglichkeit. Sie werden zu Hause beschattet, und Sasonows Frau geht kaum auf die Straße.«
    »Wenn Sie eine vertrauenswürdige Person finden könnten, jemanden in der Universität«, sagte Elizabeth Cole leise. »Es ist sehr wichtig.«
    »Ich weiß«, antwortete die Russin. »Wir wissen, daß Sasonow versucht hat, dem armen Jacob Belezky zu helfen. Was ihm auch zugestoßen sein mag, wo er sich jetzt auch aufhält – es ist unsere Pflicht, seiner Familie zu helfen, so gut wir können. Ich werde in der nächsten Woche wieder herkommen und Ihnen sagen, welche Fortschritte ich gemacht habe.«
    »Ich danke Ihnen«, sagte Elizabeth, »und seien Sie vorsichtig.«
    Das Mädchen lächelte traurig. »Ich werde mein Bestes tun. Es ist diese Heuchelei, all die Lügen … Was muß Bokow denken, wenn er erfährt, daß ich ihn im Stich gelassen habe.«
    »Er wird es verstehen«, tröstete Elizabeth. »Ich muß jetzt gehen. Ich bin am nächsten Dienstag zur selben Zeit wieder hier. Viel Glück.«
    Sie bezahlte ihren Tee, nahm die Einkaufstasche und die Zeitung und trat auf die sonnenbeschienene Moskauer Straße hinaus. Die Sicherheitspolizei folgte ihr seit längerer Zeit schon nicht mehr. Sie hatte sich eine bestimmte Routine zugelegt: Sie kaufte an ihrem freien Tag irgend etwas im Kaufhaus ›Gum‹ ein und setzte sich dann immer in derselben Konditorei zu einer Tasse Tee. Sie war dort nie mit jemandem zusammengekommen, und sie hatte diese Routine im ersten Jahr ihrer Tätigkeit an der Botschaft nie geändert. Dann erhielt sie den Sicherheitsgrad als Registratorin und wurde als politisch unbelastet eingestuft. Die Nachricht, daß sie unverdächtig sei, brauchte eine gewisse Zeit, bis sie in London eintraf. Dann wurde die Konditorei zu ihrem Treffpunkt mit anderen Agenten bestimmt. Die sowjetischen Dissidenten gehörten zu einem geschlossenen Kreis der russischen Gesellschaft, wo man sich ausschließlich unter seinesgleichen traf. Die Dissidenten stammten aus der gehobenen Intelligenz, aus dem Kreis der Künstler und Wissenschaftler, die aus ihrer privilegierten Stellung in der Sowjetunion die Motivation bezogen, dem System die Stirn zu bieten. Was das einfache Volk über Freiheit und Menschenrechte dachte, interessierte sowieso niemanden. Jacob Belezky wurde Freund und Vertrauter von Bokow, dem Dichter, und Scherensky, dem Physiker. Die Dissidenten hatten sich zu einer Gruppe zusammengeschlossen und veröffentlichten ihre Ansichten im Westen. Auch Verhaftungen, Gefängnisstrafen, falsche Anschuldigungen wegen Landesverrats und schwere Strafen vermochten es nicht, ihre Proteste zum Schweigen zu bringen. An die Stelle der traditionellen Verschickung nach Sibirien war als das schlimmste Schicksal für einen Russen die infame

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