Davina
überzeugt, Sie wären in die Staaten abgereist.«
»Nein, noch nicht«, sagte er. »Hätten Sie vielleicht heute abend Zeit, mit mir zu Abend zu essen? Ein alter Freund von mir ist aus Deutschland herübergekommen, und ich wollte gern eine kleine Party für ihn veranstalten. Er ist sehr nett, sehr amüsant.«
»Ich bin eigentlich nicht frei«, sagte Charley, »ich gehe ins Theater.«
Seine Stimme klang enttäuscht. »Wie schade! Ich habe ihm viel von Ihnen erzählt, und er schien sehr interessiert. Schauen Sie, wir essen erst ziemlich spät und gehen dann in den ›Regency Club‹. Warum kommen Sie nicht auch dorthin?«
»Ja, das ginge vielleicht.« Sie zögerte. Der Gedanke an den netten Deutschen, der recht amüsant sein sollte, reizte sie.
»Kann ich es noch offenlassen?«
»Ja, natürlich, aber versuchen Sie es, bitte.«
»Ja«, meinte sie. »Es hängt hauptsächlich davon ab, wie lange die Theatervorstellung dauert. Wenn sie früh zu Ende ist, komme ich ins ›Regency‹. Auf Wiedersehen.«
Sie ging ins Schlafzimmer, setzte sich vor den Spiegel und war von ihrer Frisur sehr angetan. Die Haare fielen lässig und voll – sie schimmerten wie neugeprägte Kupfermünzen. Im ›Regency Club‹ verkehrten hauptsächlich Araber, deshalb ging sie nie dorthin. Es war eine Einladung, die sie sonst nie angenommen hätte, aber er hatte sie auf den Deutschen neugierig gemacht. Sie zuckte mit den Achseln. Ein besonders anhänglicher Verehrer hatte sie, zusammen mit einem anderen Ehepaar, für diesen Abend eingeladen. Ihr Interesse an ihm war eigentlich erlahmt; er war so hoffnungslos in sie verliebt, daß die Affäre für sie keinen Reiz mehr besaß. Vielleicht ging sie tatsächlich ins ›Regency‹, falls sich ihr nichts Besseres bot.
Elizabeth Cole nippte an ihrem heißen Tee und sah auf die Uhr. Ihre Kontaktperson hatte sich verspätet. Sie wartete bereits seit fast zwanzig Minuten und hatte zweimal verhindert, daß sich ein Fremder zu ihr an den Tisch setzte. Als der junge Mann erschien, schüttelte sie den Kopf und sagte in passablem Russisch: »Verzeihung, dieser Platz ist für meine Freundin reserviert. Sie wird gleich kommen.«
Der Mann sprach ganz leise auf französisch: »Sie kommt nicht, Sie hat mich statt dessen geschickt.« Er setzte sich auf den freien Stuhl und stellte sein Teeglas vor sich. Elizabeth Cole saß regungslos da und sagte nichts. Ihr freundliches, nichts sagendes Gesicht wurde zu einer mürrischen Maske. Ihre Nerven schienen ihr einen Streich zu spielen, denn sie hatte plötzlich das Gefühl, als habe sie ein elektrischer Schock durchzuckt. Dann erstarrte sie. Der junge Mann nannte den Namen der Dozentin. »Sie ist wieder an der Universität«, erklärte er. »Sie kann sich nicht mehr mit Ihnen treffen. Ich habe Verbindung zu Irina Sasonowa aufgenommen. Mein Name ist Alexei Poliakow.«
Einen Augenblick starrte Elizabeth ihn an. Ihr Gesichtsausdruck war überraschend hart für ein so freundliches Mädchen, wie sie es war.
»Gut«, sagte sie schließlich, »reden Sie.«
»Sie können mir vertrauen«, erklärte er. »Ich habe mit ihr nach der Vorlesung gesprochen. Sie hält ihren Vater für tot und glaubt, daß der Tote, den man heimbefördert hat, ihr Vater ist. Ich habe versucht, sie zu überzeugen, aber sie will mir nicht glauben. Wie kann ich es ihr beweisen?«
Elizabeth zögerte. Sie erkundigte sich nach der Dozentin, um Zeit zu gewinnen. »Ist sie wieder voll rehabilitiert?«
»Ja«, sagte Poliakow kopfnickend. »Sie hat eine kritische Schrift über Bokow verfasst. Sie wird in der nächsten Woche veröffentlicht. Es hat ihr das Herz gebrochen«, fügte er hinzu. »Sie hat die ganze Nacht geweint, ohne ein Auge zuzumachen.«
»Woher wissen Sie soviel? Das sind persönliche Details. Waren Sie bei ihr?«
Er blickte der Engländerin in die steingrauen Augen und sagte schlicht: »Nach Bokows Verhaftung wohnte sie bei mir. Aber ich stehe nicht unter Verdacht. Man glaubt, daß ich sie gegen die Dissidenten beeinflusst habe.«
»Ich verstehe«, sagte Elizabeth. Sie konnte nichts Hinterhältiges bei ihm entdecken, und der Instinkt sagte ihr, er sei in Ordnung. Sie beschloß, das Risiko einzugehen.
»Ich habe etwas, was Irina und ihre Mutter überzeugen wird«, sagte sie. »Aber Sie begeben sich damit in große Gefahr. Ich muß Sie warnen.«
»Ich weiß«, erwiderte er leise, »ich bin bereit dazu.« Er wiederholte die Bemerkung der jungen Russin. »Sasonow hat versucht, Belezky
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