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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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sich für Belezkys Sache einzusetzen. Aber bis jetzt kämpfte er überhaupt nicht. Er öffnete die Augen und richtete sich auf. Er zerdrückte die Zigarette zwischen den Fingern und schleuderte sie in einen Abfallkübel, auf den eine grellrote Rose aufgemalt war. Sasonow hasste sie, weil sie für ihn die fremdartige Sentimentalität der fremdartigen Briten verkörperte. Niemand sonst würde eine Blume auf einen Gegenstand malen, der für Abfall verwendet wurde. Er betrachtete den Kübel mit Abscheu. Nein, er kämpfte nicht, er feilschte mit allem Geschick, das er sich in seiner beruflichen Ausbildung angeeignet hatte. Er hatte seine Forderungen gestellt, und man hatte sie akzeptiert. Alles schien glatt zu gehen, aber er hätte von vornherein wissen müssen, daß das Leben nicht nur Sonnenseiten hatte.
    Der Brand von Halldale hatte ihn aufgerüttelt. Der Versuch, ihn zu ermorden, war nur deshalb gescheitert, weil er darauf bestanden hatte, ein paar Stunden in dem Motel zu verbringen. Er verdankte sein Leben dem Umstand, daß er mit Davina Graham geschlafen hatte.
    Aber jetzt war der Zeitfaktor von entscheidender Bedeutung. Seine Frau und seine Tochter durften den untergeschobenen Leichnam nicht als den seinen akzeptieren und ohne ihn in ein neues Leben eintreten. Es war wichtig, daß er so schnell wie möglich die Zusammenarbeit mit dem British Intelligence Service aufnahm und feststellte, wer im britischen Geheimdienst für die Sowjets arbeitete. Er konnte sich sowieso nicht vor Überfällen schützen, solange er sich in der schäbigen Etagenwohnung vergrub und, von Sicherheitsbeamten bewacht, in der Dunkelheit ein paar Schritte um den Block machte. Warten, warten … Er stieß einen lauten russischen Fluch aus, als wollte er die Schicksalsgöttinnen, die Briten und seinen eigenen Geheimdienst in die Schranken fordern. Er begann unter Wahnvorstellungen zu leiden, er verdächtigte alle, sogar die Frau, die sich ihm hingab. Er wünschte, er hätte sie nicht beleidigt. Er verfluchte sich deswegen. Hinter ihren zornerfüllten Blicken hatte er den Schmerz gesehen, und er hasste sich, weil er sie verletzt hatte.
    Aber sie konnte ihm nicht geben, was er brauchte – jenes Gefühl innerster Verschmelzung, wie es nur zwischen Russen möglich war. Daß er sie liebte, stand auf einem ganz anderen Blatt. Das Gesicht seiner Frau wollte er sehen. Mit dem Finger über ihre Wangen streichen, den Kopf zwischen ihren Brüsten vergraben und sie an sich drücken. Das Lächeln seiner Tochter wollte er sehen, sie bei der Hand nehmen und mit ihr in die frische Luft hinausgehen. Er fühlte sich entwurzelt, dieser Kummer überschattete sogar seinen Entschluß, gegen die Ungerechtigkeit anzukämpfen, die seinem Freund und anderen im Namen der Menschenrechte widerfahren war.
    Es hatte Augenblicke gegeben – und dies war wieder ein solcher, während er allein in dem vollgestellten Wohnzimmer saß –, daß es ihm beinahe lieber gewesen wäre, zurückzugehen, sich wie Belezky vor Gericht stellen und verurteilen zu lassen, als hier unter lauter Fremden sein Leben zu fristen. Er stand auf, nahm noch eine Zigarette und zündete sie an. Seine für gewöhnlich ruhige Hand zitterte wie die eines Betrunkenen. Er warf das Streichholz fort und entzündete ein neues.
    Er konnte jetzt nicht hinausgehen, auch wenn er es gewollt hätte. Die Bedrohung durch seine eigenen Leute machte ihn bewegungsunfähig. Er war hilflos und wehrlos gegen Zweifel und Verzweiflung. Er hing von einer einzigen Frau ab, wenn er Nachrichten haben wollte, neue Hoffnung schöpfen wollte. Als er sie eintreten hörte, sprang er auf und stürzte hinaus in den Korridor. Er zog sie in seine Arme, und während er Entschuldigungen stammelte und versuchte, sie zu küssen, merkte sie, daß er weinte.
    James Whites Stellvertreter hatte an der historischen Fakultät der Universität gearbeitet, wo der Sohn des Brigadiers Student in den Anfangssemestern war. Er hieß Grant Mitchell; seine Familienangehörigen waren überzeugte schottische Presbyterianer, und er schien diese Richtung besonders vorbehaltlos zu vertreten. Seine Freundschaft mit Philip, Whites Sohn, hatte zu einer Bekanntschaft der beiden Familien geführt, und James White fand den jungen Mann irgendwie ungewöhnlich. Fünf Jahre darauf erschien er unerwartet im Haus der Whites in Kent. James White hatte sich geduldig die Geschichte des jungen Grant über dessen Kampf gegen die Homosexualität und die Verführung durch einen

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