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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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soll Sasonows Frau sofort herbringen.«
    Er wandte sich ab und sagte zu dem Arzt: »Tee, während wir warten. Und decken Sie das hier zu.« Er verließ die Leichenhalle, gefolgt von Tatitschew, der zum Telefon eilte.
    Fedja Sasonow wußte, worum es ging, als sie auf das beharrliche Läuten hin die Tür öffnete. Die Männer schienen überlebensgroß zu sein, als sie sie anstarrte, obwohl keiner von beiden hochgewachsen war. Die Angst ließ sie größer und massiger erscheinen und verlieh ihnen etwas Drohendes, das reine Einbildung war. Sie baten sie sehr höflich, mit ihnen zu kommen, und warteten in dem schmalen Korridor, während sie sich den Mantel anzog. Ihre Hände zitterten so stark, daß sie ihn nicht richtig zuknöpfte, so daß der Mantel ihr schief von den Schultern hing. Sie saß hinten im Auto; der eine Mann fuhr, der andere saß neben ihr. Ihr Begleiter bot ihr eine Zigarette an; sie lehnte ab. Sie hatten die Weisung, ihr keinen Schrecken einzujagen.
    Ihre Angst erreichte einen neuen Höhepunkt, als der Wagen in die Dserschinsky-Straße einbog, weil sie glaubte, sie werde zum KGB gebracht. Ihr verschwamm alles vor den Augen, und sie glaubte, ohnmächtig zu werden. Aber der Wagen fuhr an dem gefürchteten Gebäude vorbei und bog nach links ab. »Wohin fahren wir?« Es war fast ein Wispern, und der Mann neben ihr beugte sich zu ihr nieder, als ob er schwerhörig wäre.
    »In die städtische Leichenhalle«, antwortete er. »Dort liegt die Leiche Ihres Mannes.«
    »Oh«, sagte sie leise, »oh, ich wußte nicht, daß er schon da ist. Vielen Dank, Genosse, vielen Dank, daß Sie mich geholt haben … einen Augenblick war ich verwirrt …« Sie brach ab, und er schaute aus dem Fenster, damit sie sich wieder fassen konnte.
    Sie führten sie in den Raum, und sie zögerte beim Anblick der Gestalt, die unter einer grünen Plastikhaut auf einem Tisch lag und von einer hellen Lampe angestrahlt wurde. Die Männer standen zunächst in tiefem Schatten. Als der General vortrat, erkannte sie ihn sofort. Er streckte ihr die Hand entgegen und merkte, wie kalt die ihrige war; er spürte das kleine nervöse Zittern.
    »General Wolkow –« Sie kannten sich gesellschaftlich seit fast zwanzig Jahren. Er hatte eine Datscha in derselben vornehmen Gegend, aber entsprechend seinem Dienstgrad war die seinige etwas größer. Er war ursprünglich Iwan Sasonows unmittelbarer Vorgesetzter gewesen, als er nach Moskau kam. Er war verantwortlich für die Verhaftung und für die Bestrafung der Dissidenten gewesen. Antoni Wolkow. Er hatte Belezky in die psychiatrische Klinik eingewiesen.
    »Der Leichnam Ihres Mannes ist heute früh aus England eingetroffen«, sagte er. »Ich weiß, daß es Ihnen sehr schwerfallen wird, Genossin Sasonowa, aber wir müssen leider von Ihnen verlangen, daß Sie eine eindeutige Identifizierung vornehmen. Sie müssen tapfer sein; es wird schwierig sein, ihn wieder zu erkennen. Tatitschew wird Ihnen einen Wodka bringen.«
    Er ergriff ihren Arm und geleitete sie zum Tisch. Die helle Lampe blendete sie fast, als sie einen Blick nach oben warf. Sie stand dort und wartete. Sie starrte auf den grünen Plastiküberzug, faltete beide Hände vor ihrem schlecht sitzenden Mantel und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Wenn es ihr Mann dort unter dem Tuch war … wenn er wirklich tot war und sich nicht versteckt hielt … um Gottes willen, dachte sie und benutzte das Wort unbewußt. Und dennoch, falls er tot war – und wenn bewiesen werden könnte, daß er nicht übergelaufen war – dann wären sie rehabilitiert. Irina hätte eine Zukunft vor sich. Und sie selbst könnte wieder ruhig schlafen und brauchte keine Angst davor zu haben, die Wohnungstür zu öffnen. Ihre Augen füllten sich bei dem Gedanken an den Tod ihres Mannes mit Tränen; sie rollten ihr die Wangen herab, und sie wischte sie mit dem Handrücken ab. Sie wünschte, er lebte noch. Ihre Reaktion auf die Nachricht, man habe seine Leiche gefunden – Selbstmord durch Ertrinken –, war tiefster Kummer gewesen. Und dann waren die Zweifel erwacht; sie wuchsen von Stunde zu Stunde. Er hatte nie unter Depressionen gelitten und war auch nie deswegen behandelt worden. Dieser Teil des Artikels, der in der ›Iswestija‹ stand, war erlogen. Und wenn das eine Lüge war, dann konnte das gleiche auch auf den Leichnam zutreffen. Sie sah Wolkow furchtsam an. Welche Antwort erwartete er von ihr – welche Antwort wünschte er von ihr?
    Tatitschew stand mit

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