Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
"Davon haben wir nichts gewusst!"

"Davon haben wir nichts gewusst!"

Titel: "Davon haben wir nichts gewusst!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Longerich
Vom Netzwerk:
öffentlichen Sphäre besonderen Schwierigkeiten unterlag, haben bereits andere Autoren betont. Ian Kershaw hat sich daher entschlossen, statt von »öffentlicher Meinung« von »Volksmeinung« zu sprechen, um die auch unter den Bedingungen der Diktatur weiterhin »untergründig existierenden, spontanen, nicht dirigierten Stimmungen« begrifflich einfangen zu können (»Alltägliches und Außeralltägliches«, S. 273). Marlis Steinert schlägt den Begriff der »Publikumsmeinung« vor; damit werde die »Existenz einer Volksmeinung« bejaht, gleichzeitig aber »unterstrichen, dass sie sich nur schwer öffentlich manifestieren kann«. ( Hitlers Krieg und die Deutschen , S. 46). Mit diesen Begriffsdefinitionen ist aber noch nicht gesagt, wie sich denn die Bildung der »Volksmeinung« vollzieht beziehungsweise welches analytische Instrumentarium entwickelt werden muss, um eine vorwiegend nur durch die Berichterstattung des Repressionsapparates überlieferte, sich im Verborgenen heranbildende kollektive Meinungsbildung adäquat zu erfassen. Ich halte es demgegenüber für methodisch problematisch, die offiziellen Stimmungsberichte primär als Widerspiegelung einer authentischen, im Nachhinein bestimmbaren kollektiven Meinung zu lesen.
    9 Deutschland-Berichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Sopade) 1934-1940 , 7 Bde., Salzhausen/Frankfurt a. M. 1980 (künftig zitiert als Sopade), Mai/Juni 1934, S. 120.
    10 Sopade, Juli 1936, S. 671.
    11 Siehe Anm. 9.
    12 Zur Person Rinners siehe Werner Plum, »Mit dem Blick auf Budelsdorf. Kulturgeschichtliche Skizzen zur Einführung in die ›Deutschland-Berichte‹ der Sopade«, in: Die »Grünen Berichte« der Sopade. Gedenkschrift für Erich Rinner (1902-1982) , hg. von Werner Plum, Bonn 1984, S. 11-48.
    13 Stefan Appelius, Heine – Die SPD und der lange Weg zur Macht. SPD-Geschichte im Spiegel der Lebensgeschichte eines bedeutenden Funktionärs, Essen 1999.
    14 Wolfgang Borgert und Michael Krieg, »Die Arbeit an den ›Deutschland-Berichten‹. Protokoll eines Gesprächs mit Friedrich Heine«, in: Die »Grünen Berichte« der Sopade. Gedenkschrift für Erich Rinner (1902-1982) , hg. von Werner Plum, Bonn 1984, S. 49-119; Erich Rinner: »Die Entstehung und Entwicklung der Berichterstattung«, in: ebenda, S. 165-177. Im Einzelnen lässt sich die redaktionelle Arbeit Rinners und Heines über die Korrespondenz des Parteivorstandes mit den Grenzsekretären sowie mit Hilfe der umfangreichen Korrespondenz aus dem Rinner-Nachlass rekonstruieren (beide Bestände in FES, Archiv, Abt. II). Grenzsekretäre waren Erwin Schoettle, Georg Reinhold, Gustav Ferl, Ernst Schumacher, Richard Hansen, Franz Bögler, Emil Stahl, Otto Thiele, Willi Lange, Hans Dill und Waldemar von Knoeringen. Zur Entstehung der Berichte und zu ihrem Wert als sozialhistorische Quelle siehe auch Bernd Stöver, Volksgemeinschaft im Dritten Reich. Die Konsensbereitschaft der Deutschen aus der Sicht sozialistischer Exilberichte , Düsseldorf 1993, S. 67ff. und S. 102ff.
    15 Schreiben Rinners an Georg Reinhold (der in Luxemburg residierte und für Südwestdeutschland zuständig war), 22.5.35, FES, Archiv, Abt. II, NL Rinner, Bd. 30.
    16 Ebenda, Bd. 34, Schreiben an Sollmann, 24.3.36.
    17 Ebenda, Bd. 34, 23.4.36.
    18 Ebenda, 26.4.36.
    19 Ebenda, Schreiben an Sollmann, 24.3.36.
    20 Rinners Mitarbeiter Heine äußerte sich hierzu wie folgt: »Eines der Hauptprobleme, vielleicht sogar das Hauptproblem für Rinner und – nachgeordnet – mich, war, dass fast alle Berichterstatter, die aus Deutschland kamen, ein maßlos überhöhtes Bild von der Situation in Deutschland hatten, dass sie die Situation völlig anders einschätzten als wir und diese anders als wir, viel optimistischer für die Oppositionellen, sahen.
    Vielleicht gehört das mit zum Selbsterhaltungstrieb der Menschen oder vielleicht lag es daran, dass sie in einem bestimmten Zirkel lebten. Und viele Sozialdemokraten haben mit Nazis nicht nur nichts zu tun haben wollen, sondern auch nichts zu tun gehabt, so dass sie in ihrem kleinen Freundes- oder Familienkreis oder Arbeitskreis nur von ehemaligen Linken, Sozialdemokraten oder sonstigen Linken, umgeben waren und also gar nicht mit Nazis in enge, menschliche Berührung kamen. […] Und Rinners meiste Arbeit war es, die in den Berichten wiederkehrenden Erwartungen und Hoffnungen und Illusionen zu dämpfen. […] Und er hat insofern die Berichte, die aus Deutschland kamen, gemildert und, wenn Sie wollen,

Weitere Kostenlose Bücher