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"Davon haben wir nichts gewusst!"

"Davon haben wir nichts gewusst!"

Titel: "Davon haben wir nichts gewusst!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Longerich
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Wirtschaftsleben Südafrikas«, 100 sprach – im Zusammenhang mit der britischen Palästinapolitik – vom »Machtwillen des Weltjudentums« 101 und berichtete über die antijüdischen Maßnahmen der slowakischen Regierung unter der Überschrift »Reinigung der Slowakei vom Judentum«. 102 Die Deutsche Allgemeine Zeitung übernahm im Juli 1938 einen wüsten antisemitischen Beitrag Alfred Rosenbergs aus dem Völkischen Beobachter , in dem dieser die Existenz einer jüdischen Weltverschwörung nachzuweisen suchte, und kommentierte ihn zustimmend wie folgt:
    »Mit der Geschicklichkeit, die das Judentum befähigt, bei seinen Gastvölkern unmerklich die maßgebenden Positionen des politischen und kulturellen Lebens in die Hand zu bekommen, geht eine merkwürdige, aus Übermut entspringende Torheit des Judentums Hand in Hand, sich seiner Machtstellung zu rühmen und die Exponenten seiner Macht in einem alljüdischen Sinne für sich zu reklamieren.« 103
    Die gleiche Zeitung gab am 28. Juli 1938 in einem Kommentar ihrer Meinung Ausdruck, die »bewusste Besinnung auf die Rasse und ihren Schutz ist uns Deutschen ein selbstverständliches Gedankengut geworden«. Einen angeblich von Juden verübten Überfall auf eine deutsche Reisegruppe in Antwerpen Ende Oktober, der in den großen Blättern allgemein zur Kenntnis genommen wurde, 104 kommentierte die Deutsche Allgemeine Zeitung wie folgt:
    »Dieser gemeine Überfall enthüllt eine Seite des jüdischen Charakters, die vielleicht nicht überall bekannt ist. Scheinbare Konzilianz des einzelnen wird in der Zusammenrottung, wie oft beobachtet werden kann, zu unerhörter und unverschämter Frechheit mit lauten und prätentiösen Reden und, wie der Vorfall in Antwerpen zeigt, mit Gewalttätigkeiten durch feige Überfälle aus dem Hinterhalt auf harmlose Reisende. Auch in diesem Falle scheinen sich die jüdischen Rowdies nicht über die Folgen ihres Vorgehens im klaren zu sein.« 105

Reaktionen der Bevölkerung
    Die Deutschland-Berichte der Sopade, die dem antijüdischen Terror der Nazis in dieser Phase viel Raum widmeten, zeichnen das Bild einer Gesellschaft, die diesen Terrorakten ganz überwiegend ablehnend gegenüberstand. 106 Allerdings vermitteln die Berichte auch eine Vorstellung davon, wie die jahrelange antisemitische Propaganda dennoch allmählich einsickerte. So heißt es etwa in einem Bericht aus Norddeutschland Ende 1937, zwar wolle der »Kern der organisierten Arbeiterschaft« mit der »Judenhetze« nichts zu tun haben, aber in der »breiten Masse der indifferenten Arbeiter« habe »das ständige antisemitische Trommelfeuer« doch »seine Wirkung getan«, denn: »Auch Leute, die früher gar nicht wussten, was ein Jude ist, schieben heute alles Unheil auf die Juden.«
    In Berlin, so die Deutschland-Berichte vom Februar 1938, sei »vom Antisemitismus […] nichts zu merken«. Auch in Bayern sei die Bevölkerung keineswegs antisemitisch geworden; man mache »Unterschiede zwischen Juden und Juden«; das Benehmen der Nazis stoße, so ein anderer Bericht, »überall« auf Ablehnung. 107
    Im Juli hieß es einleitend zu einer Reihe von Berichten, sie machten deutlich, dass »die Bevölkerung zum größten Teil die Judenverfolgung nach wie vor nicht billigt«. 108 Zur Stützung dieser Einschätzung wurden Berichte aus Mannheim und Konstanz zitiert; 109 die Bevölkerung zeige, so heißt es aus weiteren Berichten aus dem südwestdeutschen Raum und Rheinland-Westfalen, Juden gegenüber Sympathie und (wann immer es mit geringen persönlichen Risiken verbunden sei) »Mitgefühl«. 110 Ein Bericht für Berlin verzeichnet gemischte Eindrücke: »Es soll nicht vergessen werden, dass auch nicht wenige Stimmen laut werden, die gegen die Exzesse protestieren. Aber viele Menschen sind infolge der langen antisemitischen Hetze selbst antisemitisch geworden.« In einem anderen Bericht aus der Reichshauptstadt heißt es: »Die meisten Menschen stehen dem Treiben gegen die Juden fremd, desinteressiert, oft auch ablehnend gegenüber. Selbst diejenigen, die für eine Zurückdrängung der Juden aus dem Wirtschafts- und dem öffentlichen Leben sind, lehnen zum größten Teil die grausamen und unmenschlichen Methoden ab, mit denen die Juden gequält werden. 111 Gemischte Reaktionen wurden auch aus Schlesien vermeldet; die Bevölkerung sei im Übrigen mit einem drohenden Kriegsausbruch beschäftigt und wende wenig Interesse für die »Judenfrage«auf. 112
    Aus der offiziellen Berichterstattung des

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