Dawning Sun (German Edition)
Hochzeitssträuße und so weiter zu binden.“
„Das Geld braucht sie, beziehungsweise ihr nicht?“, hakte Tom nach. Der Kuchen war köstlich; er zwang sich, in möglichst kleinen Häppchen zu essen, um ihn länger genießen zu können.
„Mein Vater verdient mehr als genug.“ Josh rührte appetitlos auf seinem Teller herum. „Es war von Anfang an eher ein Hobby, damit meine Mutter eine Beschäftigung hat. Jetzt ist es noch nicht einmal mehr das.“
Tom nickte verstehend. Seine Mutter arbeitete ehrenamtlich im Krankenhaus, wo sie alte Leute besuchte, die keine Angehörigen hatten. Manches blieb wohl immer gleich – es gab Familien, wo Vater und Mutter gemeinsam schufteten, um sich gerade noch ernähren zu können, und andere, wo die Frauen, deren Kinder groß und alle Angehörigen gesund waren, sich händeringend nach Beschäftigung verzehrten, um nicht an Langeweile einzugehen. Tom hatte viele dieser Hausfrauen gesehen, die liebend gerne arbeiten gehen würden. Sie hatten scharenweise sein Zuhause bevölkert, um mit seiner Mutter Kaffee zu trinken und sich gegenseitig ihr Leid zu klagen, während er sich mit einem Buch oder dem Zeichenblock hinter der Couch versteckte, um nicht mit dem größtenteils verzogenen, überbehüteten Nachwuchs der Damen spielen zu müssen.
Es hatte lange gedauert, bis Tom verstehen konnte, warum sie so verzweifelt waren, obwohl ihnen doch dank guter Bildung und wirtschaftlicher Sicherheit scheinbar alle Möglichkeiten offen standen. Er hatte auf seinen Bildern die Leere erkannt, die hinter Lächeln und fröhlicher Geschäftigkeit lauerte.
Tom schüttelte die sinnlosen Gedanken ab und blickte sehnsüchtig auf Joshs Kuchen, der zwar zerpflückt, ansonsten aber beinahe unberührt war. Egal, ob Joshs Mutter zur unglücklichen Sorte gehörte oder zu jenen, die ihren Sinn im Leben gefunden hatten: Backen konnte sie jedenfalls prima!
„Möchtest du?“ Mit einem müden Lächeln schob Josh ihm den Teller in die Hand. Erneut fiel Schweigen über sie. Tom schwankte, ob er gehen sollte, es hatte allerdings nicht den Anschein, als wäre Josh seine Anwesenheit unangenehm.
„Ahm, ist jetzt alles klar damit?“ Tom wies auf die chemischen Abläufe.
„Ja, danke.“
Josh setzte an, um noch etwas zu sagen. In diesem Moment ertönte ein Brummen von einem Handy auf Vibrationsalarm. Josh zückte das Gerät, starrte auf das Display und wurde bleich. Seine Hand krampfte sich um das Handy, dass Tom beinahe fürchtete, es würde zerbrechen. Dann nahm Josh das Gespräch an.
„Was willst du?“, grollte er in den Lautsprecher. „Du mieses Stück Scheiße! – Nein, ich will mich nicht abregen. – Wag es, hier aufzukreuzen … Vergiss es!“
Er schaltete aus und warf das Handy hinter sich aufs Bett, bevor er das Gesicht stöhnend in den Händen barg und regelrecht in sich zusammensackte.
„Leon?“, fragte Tom leise.
„Hmja.“ Josh sprang auf, taumelte durch den Raum, erreichte das Fenster, ohne zu fallen und stützte sich schwer atmend auf der Fensterbank ab.
„Er wollte wissen, wie’s mir geht!“, stieß er hervor. „Ob ich Hilfe brauche, ob ich im Krankenhaus sei, ob er herkommen könne!“
Sein Körper bebte, ebenso seine Stimme.
„Er sagte, dass er nicht gewollt hat, dass es soweit kommt“, flüsterte Josh, den Kopf leicht über die Schulter nach hinten gewandt, zu Tom, der sich ihm zögerlich näherte. „Entschuldigt hat er sich nicht.“
Er bäumte sich auf, erstickte Laute bezeugten seinen Kampf gegen das wilde, laute Schluchzen, das aus ihm herausbrechen wollte. Ohne länger nachzudenken zog Tom ihn zu sich heran. Wie bereits an jenem Abend überraschte ihn die Kraft, mit der Josh sich an ihn klammerte. Tom hielt ihn fest und sicher, presste ihn an seine Schulter, um das verzweifelte Weinen zu dämpfen. Der Anfall war ebenso kurz wie heftig. Nach allerhöchstens einer Minute wurde Josh ruhiger, das Zittern verlief sich. Erschöpft und erhitzt lag er in Toms Armen, ließ sich über Kopf und Rücken streicheln, während er sich noch immer mit aller Macht an ihn drückte, als wolle er in ihn hineinkriechen. Tom spürte, dass diese Nähe unerwünschte Auswirkungen hatte. Unbehaglich versuchte er, seinen Unterleib auf Abstand zu bringen, damit Josh nichts von der brettharten Erregung spürte. Der jedoch rückte ihm nach. Entkommen war unmöglich. Zu verfehlen, dass es bei Josh ähnliche Auswirkungen gab, ebenfalls.
Tom senkte den Blick und fand sich von tränenerfüllten Augen
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