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Dawning Sun (German Edition)

Dawning Sun (German Edition)

Titel: Dawning Sun (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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beobachtet.
„Es tut mir leid“, flüsterte Josh nahezu lautlos. „Du musst mich für eine dämliche Heulsuse halten.“
„Nein. Du wurdest von jemandem verraten und schwer verletzt, dem du vertraut hast.“ Tom zögerte kurz, bevor er hinzufügte: „Ich weiß, wie sich das anfühlt.“
Josh presste die Lider zusammen, unter denen neue Tränen hervorquollen. Er schniefte, kämpfte gegen die Verzweiflung, die ihn zerriss. Und dann begann er zu erzählen. Hastig, mit halb erstickter Stimme und unter unaufhörlichem Schluchzen strömten die Worte nur so aus ihm heraus. Er sprach von dem Outing, das niemals in dieser Form hätte geschehen dürfen. Von dem Gefühl, sich mit Beulenpest angesteckt zu haben, so wie ihn alle plötzlich ansahen und behandelten. Von Leon und Nico, die ihm aufgelauert hatten. Tom war erleichtert, dass Leon am Ende eingegriffen und auf diese Weise noch ernstere körperliche Verletzungen verhindert hatte. Er sprach von der Attacke seines Bruders und den endlosen Stunden voller Einsamkeit und Scham, die darauf gefolgt waren.
Die ganze Zeit über hörte Tom nicht auf, ihn sanft zu streicheln. Er staunte über sich selbst, wie leicht es ihm fiel, Josh zu berühren. Ihn an sich heranzulassen, mit Leib wie Seele.
Sie blieben noch eine Weile so stehen, auch nachdem Josh geendet hatte und sich schweigend an ihn kuschelte. Der hitzige Druck in den Lenden wurde davon nicht besser, doch Tom wollte ihn nicht loslassen. Es tat viel zu gut, ein lebendiges Wesen zu spüren, und er wusste, wie dringend Josh diese Nähe jetzt brauchte. Wie sehr er selbst sie brauchte.
„Es tut mir leid“, murmelte Josh irgendwann und löste sich von ihm. Ein wenig orientierungslos stolperte er zum Bett zurück und ließ sich schwer darauf fallen.
Tom überlegte, ob er sich zu ihm setzen sollte. Oder zurück auf das Sitzkissen und warten, was als Nächstes geschehen würde. Als Josh ihn allerdings erwartungsvoll mit seinen süßen dunklen Augen betrachtete, griff er zu seinem Mantel.
„Ich muss gehen“, sagte er fahrig. „Wir sehen uns morgen.“
Abrupt floh er, ohne auf Joshs bittend ausgestreckte Hand zu reagieren, die ihn zurückhalten wollte. Er musste raus, jetzt sofort, bevor es zu spät war.
     

6.
     
Die Schule war Hölle pur. Soweit Josh es aus dem Gemurmel und Gekichere heraushören konnte, hatte Nico wohl ausgeplaudert, beziehungsweise angedeutet, dass Leon, die beiden Typen aus der zwölften und er selbst den Homo aufgemischt hatten. Das Gelächter war dabei genauso schlimm wie die mitleidigen Blicke derjenigen, die das Ganze nicht so lustig fanden. Keine von beiden Parteien sprach mit ihm, was beruhigend und wohltuend war. Leon wagte nicht einmal, ihn anzusehen, worüber Josh wirklich erleichtert war. Entsetzlich hingegen empfand er Toms Verhalten. Tom war zu seiner düsteren Rühr-mich-nicht-an-Haltung zurückgekehrt, mit der er jeden auf Abstand hielt. Beneidenswert, wie er es schaffte, ein solch krasser Außenseiter zu sein, ohne dass jemand Interesse daran hatte, ihn zu mobben. Tom war stets unauffällig, im Guten wie im Schlechten. Wurde er im Unterricht angesprochen, konnte er jede Frage beantworten. Er brachte schriftlich seine Leistung, die ihm mündlich fehlte. Beim Sport lief er mit, ohne herauszuragen. Mit seiner Art, sich sanft zu entziehen, ohne jemandem das Gefühl zu geben, dass er seine Mitmenschen verachtete, machte er es allen leicht, ihn zu vergessen. Bloß mit seiner Goth-Kleidung hob er sich ab und demonstrierte Grenzen, die keiner überschritt. Auch Josh hatte nie Grund gehabt, Gedanken über ihn zu verschwenden. Tom störte nicht, das war genug gewesen. Aber jetzt …
Josh hatte solche Angst, dass er Tom mit seinem Gejammere vertrieben hatte. Sie waren sich nah gewesen, es hatte sich so unglaublich gut angefühlt, aufgefangen und getröstet zu werden. Erleben zu dürfen, dass da jemand war, der ihn verstand und nicht verurteilte. Er hatte gespürt, wie erregt Tom war. Seine plötzliche Flucht hatte Josh zutiefst verstört. Hatte er zu sehr geklammert? Zu viel geweint? Die Signale falsch gedeutet? Er war beinahe sicher gewesen, dass Tom Gefallen an ihm fand. Menschlich und körperlich. Warum sonst war er zu ihm gekommen? Warum sonst hätte Tom ihn so bereitwillig umarmen sollen, obwohl sie weder befreundet noch verwandt waren? Warum hatte ihn die Umarmung erregt?
Zu viele Fragen. Der einzige, der sie beantworten könnte, gönnte ihm nicht den kleinsten Blick.
Als Josh zögerlich in

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