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Dawning Sun (German Edition)

Dawning Sun (German Edition)

Titel: Dawning Sun (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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sich schieben zu dürfen. Er mochte die selbstgemachten Semmelknödel mit Gulasch normalerweise sehr gerne, heute aber schmeckte alles pappig und wollte sich nicht schlucken lassen.
„Ist alles in Ordnung mit der Schule?“, bohrte seine Mutter nach.
„Ja, klar. War anstrengend. Darf ich aufstehen?“
Der Blick, den seine Eltern und Sascha miteinander wechselten, war schmerzlich anzusehen. Es zeigte so überdeutlich, dass er nicht mehr dazu gehörte …
„Hast du noch einmal über unser Gespräch nachgedacht?“, fragte sein Vater.
Der Besuch beim Psychoonkel, Josh hatte es fast vergessen.
„Hm, schadet vielleicht wirklich nicht“, murmelte er vage und floh aus dem Esszimmer, bevor er in peinliche Tränen ausbrechen konnte.
Im Flur hielt er inne. Der Gedanke, in seinem Zimmer zu hocken und die Wände anzustarren, stieß ihn ab. Kurz entschlossen zog er Jacke und Schuhe an und verließ das Haus. Wohin er wollte, wusste er selbst nicht, Hauptsache, er blieb nicht hier .
Josh war bereits drei Straßenecken weiter, als ihm klar wurde, dass er ohne Handschuhe in die Kälte gestartet war. Die fingerlosen schwarzen, die Sascha ihm geschenkt hatte und selbst von Leon als cool befunden worden waren …
Einen Moment lang schwankte er – zurückgehen oder weiterlaufen? Kopfschüttelnd ging er weiter. Wenn er jetzt nach Hause käme, würde seine Mutter ihn mit Fragen löchern. Trotzdem, es war kalt! Auf der Suche nach ein wenig Schutz steckte er die Hände in die Jackentasche. In der linken befand sich ein Zettel. Was seltsam war, denn die Jacke war frisch gewaschen und seine Mutter drehte grundsätzlich alle Taschen drei Mal um, bevor ein Kleidungsstück in die Waschmaschine wandern durfte. Kein Wunder, nachdem sie einmal versehentlich Saschas Handy mitgewaschen und somit hunderte Fotos, SMS und sonstige Kostbarkeiten vernichtet hatte.
Auf dem Zettel stand eine Adresse. ‚Alois-Fischer-Straße 89’.
Sonst nichts. Kein Name, keine Erklärung. Ob er die Handschrift bereits einmal gesehen hatte, war unklar, Josh hatte keinen Blick für solche Details. Sie kam ihm bekannt vor, doch es musste schon eine sehr markante Handschrift sein, bevor er sie identifizieren konnte.
Zufällig wusste er, wo die Alois-Fischer-Straße war, in der Nähe war er früher zum Klavierunterricht gegangen. Es war ein größeres Stück zu Laufen, aber das kam ihm gerade Recht. Auch wenn jeder Schritt schmerzte, jede einzelne Prellung dagegen protestierte, die Bewegung tat ihm gut.
Tom hatte ihn berührt, bevor er gegangen war, ungefähr auf Taschenhöhe. Ob der Zettel von ihm war? Wer sonst hätte einen Grund dazu? Den hätte er allerdings lange vorher geschrieben und auf eine Gelegenheit gelauert haben müssen, ihm den Zettel unterzuschieben.
Und wenn es eine Falle ist?
Josh blieb stehen.
Nein, Unsinn. Weder Leon noch Nico wohnen da. Und warum sollten sie mich zu einem bestimmten Haus locken? Wenn überhaupt, dann eher in ein stilles Eckchen, wo mich niemand schreien hört.
Also musste es von Tom sein. Möglicherweise hatte er in der Schule nicht zeigen wollen, dass sie sich näher gekommen waren, auf welche Weise auch immer? Aufgeregt beschleunigte Josh seine Schritte, so rasch es ging. Vielleicht würde sich dieser Tag nun doch noch zum Besseren wenden.
     

8.
     
Tom hatte die Hoffnung schon halb aufgegeben, als es an der Tür klingelte. Warum er Josh den Zettel zugesteckt hatte, wusste er genauso wenig wie zuvor den Grund, warum er ihn zu Hause besucht hatte. Beides war pure Dummheit gewesen. Er konnte Josh nicht geben, was dieser brauchte. Er taugte nicht dafür, emotionalen Halt zu bieten, ihm die Freundschaft zu schenken, die Josh verdient hatte, die Liebe, die er sich womöglich erhoffte. Tom war der verletzte Gesichtsausdruck nicht entgangen, als er vor ihm geflohen war. Genauso wenig wie der Kampf zwischen Hoffnung, Dankbarkeit und Misstrauen, nachdem er diese Ratte Nico gedemütigt hatte. Stundenlang hatte er gegen sich gekämpft, ihm diesen Zettel nicht heimlich unterzuschieben, um es bei der ersten echten Gelegenheit eben doch zu tun.
Nach Schulschluss war er nach Hause gerannt und hatte gewartet. Gewartet, dass Josh den Zettel fand und herkam. Gehofft, dass er wirklich kommen würde. Gebetet, dass Josh zu klug war, um sich auf etwas einzulassen, das nur im Desaster enden konnte.
Vielleicht ist er es gar nicht, dachte er, die Hand schon am Türöffner.
Wer soll es sonst sein? Mach nicht auf. Mach einfach nicht auf. Er wird weggehen,

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