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Dawning Sun (German Edition)

Dawning Sun (German Edition)

Titel: Dawning Sun (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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sagte er. Josh wandte ihm das Gesicht zu und wartete ratlos.
„Du wurdest zu Gehorsam erzogen. Nun, das werden wir so ziemlich alle, aber die meisten rebellieren irgendwann und lösen sich damit von den Eltern. Dir fehlt diese Rebellion und genau das macht dich zum Opfer. Es ist das, was ich eben meinte. Du gehorchst jedem Befehl, auch wenn er sinnlos ist oder dir schaden könnte. Ich bin nicht mehr als du, auch dann nicht, wenn ich dich trainiere. Ein Meister soll seinen Schüler anleiten, nicht unterwerfen. Ihn lehren, aus den richtigen Gründen zu gehorchen, und im richtigen Moment. Du hingegen gibst mir Macht über dich, die mir nicht zusteht.“
Das klang nach verweichlichter Versager, Mamasöhnchen, Feigling . Beschämt schloss Josh die Augen. Er wollte nicht verachtet werden. Nicht von Tom. Es genügte, dass die anderen ihn verachteten, für alles das, was er war. Und noch viel mehr für alles das, was er nicht war.
„Dreh dich um“, befahl Tom.
Kaum befand sich Josh auf dem Rücken, folgte das nächste Kommando: „Schau mich an!“
Es lag keine Verachtung in seinem Blick. Glücklicherweise auch kein Mitleid. Alles andere konnte Josh ertragen.
„Ich habe dich spielen sehen“, sagte Tom leise. „Ich sehe dir seit Monaten beim Handball zu.“
„Warum?“ Joshs Puls verdoppelte sich. Es gab nicht viele Möglichkeiten, was das bedeuten könnte …
„Bewegungsstudien. Du bewegst dich wie eine Katze, wenn du spielst. Deine Reflexe sind der Wahnsinn, und du bist fast immer der schnellste Spieler auf dem Platz. Die anderen gehorchen deinen Kommandos, nicht umgekehrt. Sobald der Schlusspfiff ertönt, schrumpfst du in dich zusammen, und streifst all deine Ängste und Komplexe über wie einen Mantel.“
„Davon merke ich nichts.“
„Alle anderen aber schon. Schau hier.“
Tom erhob sich und kam rasch mit einem Zeichenblock zurück, worin er eine Weile herumblätterte, bevor er Josh eines der Bilder präsentierte. Auf einem Arm hochgestützt starrte Josh auf vier Zeichnungen von sich selbst, als Paare untereinander angeordnet. Oben befand er sich einmal im Sprung, der Ball hatte gerade seine Hand verlassen, bereit, ins Tor einzuschlagen. Die gegnerischen Spieler waren angedeutete Schatten. Fasziniert folgte Josh mit den Augen jeder einzelnen Linie. Alles war schwarz-weiß, mit Zeichenkohle erstellt. Eine zweidimensionale Momentaufnahme. Und trotzdem glühte sie vor Lebendigkeit. Dieser Josh war gebündelte Konzentration und Kraft. Er erwartete beinahe, das Gebrüll der Mannschaft zu hören, die Rufe der Zuschauer, den dumpfen Aufprall des Balls an der Hallenwand, vom Tornetz kaum gebremst.
Daneben stand er umringt von Mannschaftskameraden, die ihm zujubelten. Er reckte die Faust empor, das Gesicht leuchtete vor Triumph und Freude.
Darunter saß er an einem Tisch, vor sich ein aufgeschlagenes Buch. Er sah hoch, genau in die Richtung des Betrachters. Dieser Josh strahlte Einsamkeit aus. Nachdenklich wirkte er, geduckt und traurig.
Auf dem letzten Bild stand er neben Leon, der lebendige Kraft verströmte, während Josh neben ihm regelrecht zur Schattenfigur verkam. Andere standen um sie herum, Josh hielt sich etwas abseits von ihnen. Niemand schien ihn zu beachten.
„Du kannst wie die Sonne strahlen“, sagte Tom und legte den Block beiseite. „Du ziehst es hingegen vor, alle anderen strahlen zu lassen und dich in ihrem Schatten zu verstecken.“
Josh musste unwillkürlich lächeln, als ihm bei diesen Worten das Lied „Sleeping Sun“ in den Sinn kam.
„Meine Sonne schläft also“, erwiderte er spontan. Tom stutzte kurz, dann lächelte er ebenfalls.
„Erwecke sie. Sie ist so schön …“
Er wandte sich ab.
„Was ist mit dir?“, fragte Josh rasch, bevor Tom ihm wieder entgleiten konnte. „Was ist mit deiner Sonne?“
„Sie ist untergegangen. Ich lebe in der Nacht.“ Tom lächelte bitter. „Mich macht die Dunkelheit stark, während sie dir schadet, das ist der Unterschied.“
„Könnte ich nicht auch versuchen zu lernen, in der Dunkelheit stark zu sein?“ Josh war sich nicht sicher, ob er die Metaphern vollkommen begriff, in denen Tom sich ausdrückte. Oder waren es Allegorien?
„Das könntest du sicherlich. Aber es würde so vieles zerstören, was dich einzigartig sein lässt. Du gehörst nicht in die Dunkelheit, Josh.“
Tom schüttelte sich kurz, als wollte er den feierlichen Ernst des Momentes vertreiben.
„Es geht hier um dich. Darum, wie du lernen kannst, du selbst zu sein und dich nicht mehr

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