Dawning Sun (German Edition)
dafür zu schämen.“
Nur zu gerne hätte Josh behauptet, dass er zufrieden mit sich war, doch das wäre eine lächerliche Lüge gewesen.
„Du würdest gerne die Erwartungen und Hoffnungen deiner Eltern erfüllen, nicht wahr? Ein Sohn sein, auf den sie so stolz sein dürfen wie auf deinen Bruder. Ein tolles Abi ablegen, studieren, erfolgreich im Beruf werden, heiraten, Enkel für deine Eltern produzieren. Beliebt und angesehen sein, gesund, fit, keinen Anlass für Kummer, Sorgen oder hässliches Gerede bieten. Das ganze Programm eben.“
Jetzt war Josh derjenige, der sich am liebsten abgewandt hätte. Flucht klang ebenfalls nach echter Option. Toms Worte waren schmerzhaft. Bis jetzt hatte er sich immer hinter Leon verstecken können. Leon war laut, impulsiv, beliebt, jederzeit gut drauf. Sie hatten viel Unfug zusammen veranstaltet, der stets von Leon organisiert worden war. Er war der Stille, der seinem Kumpel hinterherlief. Der kleine Bruder, der sich beschützen ließ. Der mustergültige Sohn, der das Geheimnis seiner Andersartigkeit hinter braver Angepasstheit verbarg. Nur beim Handball war er offensiv und stürmte ohne Rücksicht auf Verluste.
„An diesem Wunsch ist nichts falsch, Josh. Deine Eltern sind sicher tolle Menschen und haben es verdient, dass du ihnen gefallen willst. Und sieht man mal von dem Part mit dem Heiraten und Enkel produzieren ab, liegt doch alles im Bereich des Möglichen. Wobei Schwule so etwas Ähnliches wie heiraten und Kinder aufziehen können.“
Josh fuhr hoch, als Tom dieses Un-Wort so gelassen aussprach.
„Du willst nicht schwul sein, nicht wahr?“
„Du doch auch nicht.“ Patzig ging Josh auf Gegenangriff. „Du bist genauso wie ich, bloß weiß niemand davon.“
Traurig lächelnd streckte Tom ihm die offene Hand hin, die Josh nach kurzem Zögern ergriff. „Ich bin zufrieden damit, schwul zu sein, Josh. Dass ich es im Moment verheimliche, geschieht zum Schutz meiner Eltern.“
„Warum läufst du dann vor mir weg?“
Tom schwieg, ließ ihn los, senkte den Kopf. Er verschloss sich. Nacheinander reichte er Josh Shirt und Socken.
Der Rauswurf war deutlich. Niedergeschlagen zog Josh sich an. Gott mochte wissen, wie man aus Tom schlau werden sollte, er wusste es jedenfalls nicht!
Als er schon fast bei der Tür war, sagte Tom plötzlich:
„Ich habe Angst, deine Sonne zu vernichten. Und ich habe Angst, mich an ihr zu verbrennen.“
„Wäre es dann nicht besser, wenn sie für immer schläft?“, fragte Josh verzweifelt. Es fiel ihm schwer, sich in dieses Bild hineinzudenken.
„Es wäre besser, wenn alles so geblieben wäre, wie es war. Wenn du in Leons Schatten und ich in der Dunkelheit geblieben wäre. Wenn niemand dich angegriffen hätte. Es lässt sich nicht mehr rückgängig machen, also müssen wir mit dem leben, was nun ist. Und es vielleicht als Chance nutzen.“
Tom wirkte mindestens ebenso verzweifelt wie er selbst. Warum musste das Leben so kompliziert sein?
„Darf ich wiederkommen?“ Josh wappnete sich gegen Enttäuschung und Ablehnung. Tom antwortete nicht sofort, doch schließlich nickte er.
„Komm am Freitag, irgendwann nach der Schule. Bis dahin müsstest du dich soweit erholt haben, dass du dich leichter bewegen kannst. Ich will dir beibringen, dich gegen Angriffe verteidigen zu können. Das war kein leeres Versprechen.“
Verwirrter als je zuvor in seinem Leben ging Josh zurück nach Hause. Sollte er hoffen oder besser gar nichts mehr erwarten?
10.
„Der liegt da, als wolle er gefickt werden“ , murmelte jemand.
OhGottohGottohGottohGott …
„Guck mal, da hat einer `ne Flasche stehen lassen. Wollen wir dem Homo einen Gefallen tun und es ihm so richtig nett besorgen?“
Joshs Kopf schnellte ohne sein Zutun in die Höhe. Er starrte auf Nico, der mit einer leeren Wasserflasche in der Hand und einem dreckigen Grinsen im Gesicht auf ihn zukam.
„Bitte nicht, nein!“ Josh hielt abwehrend die Arme hoch, versuchte auf die Beine zu kommen, zu fliehen, nach hinten wegzurutschen. Irgendwas.
„Halt still, du Wichser.“ Er wurde im Nacken gepackt, mit dem Kopf nach unten gezwungen, während ein anderer ihn auf die Knie drehte und an den Hüften hochzwang. Josh schrie aus voller Kehle, er wehrte sich in blinder Panik, schlug um sich, zappelte, wand sich. Mit aller Kraft presste er die Pobacken zusammen, sobald er den Plastikverschluss der Flasche an der Haut spürte.
„Wach auf!“
„Nun entspann dich doch, du Süßer!“, rief einer seiner Peiniger
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