Dawning Sun (German Edition)
bis zu dem Tag, an dem du zerschlagen und misshandelt am Boden lagst. Du brauchtest mich, ich wollte dir helfen. Es war so schwer, das Gleichgewicht zu finden zwischen dem, was ich dir geben konnte und dem, vor dem ich zu deinem Schutz zurückschrecken musste. Ich wusste, dass du das nicht verstehen würdest, dass es dich verletzt. Ich wollte vernünftig sein und mich von dir fernhalten, aber ich konnte nicht. So lange schon war ich rettungslos in dich verliebt …“
Er hatte es gesagt. Ohne Rückhalt alle Geheimnisse offenbart. Sollte Josh sich nun von ihm abgestoßen fühlen, würde er es verstehen. Ob er es ertragen könnte, darüber wollte er nicht nachdenken. Tom vergrub das überhitzte Gesicht in Joshs Halsbeuge und weinte vier Jahre Schmerz, Scham und Schuld heraus. Josh weinte mit ihm, ließ ihn allerdings nicht einen Moment lang los.
Als sie beide zur Ruhe kamen, rappelte Tom sich widerwillig hoch. Er war vollkommen erschöpft und ausgelaugt, wollte nicht dringender als schlafen. Dafür musste er bloß erst einmal im richtigen Bett landen.
„Nimm.“ Josh hielt ihm ein Taschentuch hin und benutzte selbst auch eines.
„Danke für alles“, murmelte Tom. „Kann ich die Sachen ausleihen? In das nasse Zeug da möchte ich nicht unbedingt rein.“
„Tom, es ist halb drei und draußen schüttet es aus allen Knopflöchern. Du bleibst hier und gut ist.“
Josh zerrte an seinem Arm. Es brauchte nicht viel Überredung, damit Tom zu ihm zurück ins Bett krabbelte. Über Kleinkram wie Zähne putzen oder Schlafklamotten wollte er nicht nachdenken. Er streifte den Trainingsanzug ab, bloß die Boxershorts behielt er an. Josh hatte die Augen geschlossen, er schlief schon fast, als Tom das Licht ausmachte, unter die Decke schlüpfte und sich mit dem Bauch an den schlanken, warmen Körper schmiegte.
„Haben deine Eltern nichts dagegen?“, murmelte er müde.
„Is’ mir scheißegal“, erwiderte Josh schlaftrunken.
Danach wusste Tom nichts mehr.
32.
Auf einem Arm hochgestützt betrachtete Josh den schlafenden jungen Mann in seinem Bett. Wie magisch wurde sein Blick dabei von dem großflächigen Tattoo auf Toms Brust angezogen, das bis zu seinen Hüften hinabreichte: Jener halb skelettierte Dämon, der auf einem gewaltigen, bösartig aussehenden Drachen ritt. Das Bild, mit dem er seine Hoffnungen und Wünsche bewachte. Die Stimmung, die von dieser Tätowierung ausging, war düster, doch erstaunlicherweise nicht mehr so negativ, wie er es beim ersten Mal empfunden hatte. Vielleicht, weil er jetzt die Bedeutung kannte? Unglaublich, was Tom durchgemacht hatte. Josh verstand vollkommen, warum er sich so zurückgezogen hatte, warum er niemandem vertrauen wollte, am allerwenigsten sich selbst. Dass Marco aber weiterhin solche Macht über Tom ausübte, so sehr, dass dieser fürchtete, selbst ein solches Monster werden zu können, drückte ihm das Herz ab.
Schritte im Flur lenkten Joshs Aufmerksamkeit schlagartig zurück in die Realität. Verflucht, es war fast neun Uhr. Sascha würde sich jetzt auf den Weg in die Uni machen und wie immer noch kurz bei ihm reinschauen – keine Chance, Tom innerhalb von drei Sekunden verschwinden zu lassen, zumal der weiterhin wie tot schlief. Josh schaffte es gerade noch, ihm die Decke bis zum Kinn zu ziehen, sich selbst aufzusetzen und zu versuchen, entspannt zu wirken, da öffnete sich bereits die Tür. Saschas gut gelaunter Morgengruß blieb ihm im Halse stecken. Mit offenem Mund starrte er auf Josh, der vor Verlegenheit knallrot anlief, rüber zu Tom, der selig schlummerte, hinüber zu Toms Klamotten, die hoffentlich langsam trocken wurden, zurück zu Josh.
„Woah“, murmelte er, trat leise ein und schloss die Tür.
„Alles klar?“, flüsterte er dann. Ein unverschämtes Grinsen umspielte seine Mundwinkel, am liebsten hätte Josh ihm ein Kissen an den Kopf geworfen. So begnügte er sich damit, bejahend zu brummen.
„Die Sehnsucht war wohl stärker, hm?“
„Hmpf!“
„Willst du ihn unauffällig rausschmuggeln, oder soll ich Mama fragen, ob sie etwas gegen einen Gast zum Frühstück hätte?“
Josh verdrehte wild grimassierend die Augen und wedelte mit den Händen. Kichernd zog Sascha ab. Kaum zu glauben, dass Tom bei dieser Unruhe …
„Frühstück wäre gar keine dumme Idee“, murmelte es verschlafen neben ihm. Tom öffnete ein Lid und sah träge zu ihm hoch. „Deine Mama würde wohl bei dieser Idee ausrasten?“
„Dir auch einen schönen guten Morgen“, knurrte Josh.
Weitere Kostenlose Bücher