Dawning Sun (German Edition)
getan?“
„Du hast es mir erlaubt, Tommy.“
„Weil ich … ich habe Euch geglaubt. Euch vertraut. Es – warum?“
„Eines Tages wirst du es verstehen. Du hast es in dir, selbst ein Meister zu sein. Eines Tages wirst du jemanden finden, der dich anbetet. Dir vertraut. So viel schwächer ist als du. Glücklich, für dich leiden zu dürfen. Du wirst spüren, dass du ihn beherrschen musst und kein bisschen anders handeln als ich. Vielleicht gehst du sogar noch weiter, du hast eine Menge Potential in dir. Sei nicht zu grausam mit ihm.“
„Mit diesen Worten hat er mir erst die Wange getätschelt und mich dann stehen lassen. Ich bin nach Hause gegangen und hab mir den Schädel mit dem Langhaarschneider meines Vaters geschoren. Das, was übrig war, habe ich tiefschwarz gefärbt. Ich habe ihn niemals wiedergesehen. Wir waren gerade dabei umzuziehen, da mein Vater eine neue Stelle in Aussicht hatte. Vielleicht hätte ich nicht die Kraft gehabt, gegen ihn aufzubegehren, hätte ich nicht gewusst, dass wir fortgehen würden …
Meine Eltern haben gespürt, dass etwas nicht in Ordnung ist. Als kurz nach dem Umzug die Nachricht in die Schlagzeilen kam, dass Marco sich an einem seiner jugendlichen Schüler vergriffen habe, wussten sie auch, was das war.“
Er seufzte tief. Diese Schuld hatte ihn bis heute nicht losgelassen.
„Wenn ich Marco angezeigt hätte, wäre Björn nichts geschehen. Ich war zu feige dazu. Ich habe mich geschämt, wollte vergessen, verdrängen … Ja, Marco war der Täter. Trotzdem, Björn war das Opfer meiner Feigheit. Ich … was hätte ich denn sagen sollen? Mein Taekwondo-Lehrer hat auf meinem ausdrücklichen Wunsch mit mir geschlafen und nichts getan, ohne mich vorher um Erlaubnis zu bitten. Und als ich ihn gebeten hatte aufzuhören, hat er es sofort getan. Bitte verhaften Sie dieses perverse Schwein, er ist eine Gefahr für die Menschheit! Gott, ich hätte damit die anderen vielleicht gewarnt und Marco wäre möglicherweise abgehauen, aber meine Familie und ich hätten nach Australien auswandern können!“
Josh strich ihm begütigend über den Rücken. „Wäre er abgehauen, hätte es jemand anderen getroffen. Du konntest nichts tun, Tom. Vielleicht hätte man ihm die Trainerlizenz abgenommen, weil er mit einem Schüler rumgemacht hatte? Es hätte ihn sicherlich nicht aufgehalten, oder?“
„Nein. Nein, es gab keine echte Lösung. Ich hätte mich von vorneherein nicht manipulieren lassen dürfen, auch nicht von meinem großen Idol.
Meine Eltern bedrängten mich. Fragten von früh bis spät, ob mir dasselbe geschehen sei. Ob ich nicht zum Arzt wolle, zur Polizei, zum Psychiater, das ganze Programm. Je mehr sie drängten, desto rebellischer wurde ich … Irgendwann resignierten sie und erlaubten mir, eine eigene kleine Wohnung zu beziehen. Da wir ungünstig im Schuljahr gewechselt hatten, habe ich eine Klasse wiederholt – und traf auf dich.“
„Und weil ich ein ähnlicher Typ wie du bin, weil ich Leon gefolgt bin, egal wohin der ging …?“ Josh betrachtete ihn ernst und ruhig. Da war kein Vorwurf in seiner Stimme, keine Verachtung, kein Hass. Vor Erleichterung hätte Tom am liebsten gebrüllt.
„Ich habe nicht vorausgeahnt, dass so etwas geschehen würde. Leon hab ich für einen harmlosen Angeber gehalten, sonst nichts. Nico ist mir nie wirklich aufgefallen, ich mochte ihn nicht, er mochte mich nicht, fertig.
Nein, ich war von dir fasziniert, als ich dich im Sportunterricht beim Handball beobachtet hatte. Vorher warst du für mich nur der nette Kleine, der mit diesem Leon abhängt. Bei diesem Spiel bist du so sehr aus dir herausgegangen, du warst mit weitem Abstand der Beste in der Halle. Und trotzdem hattest du so fair gespielt, immer wieder an deine Mannschaft abgegeben, dich über jedes Tor deiner Leute gefreut … Du hast wie die Sonne gestrahlt, Josh. Kaum aber waren die Turnschuhe ausgezogen, da wurdest du wieder Leons Schatten. Da ich sonst nichts zu tun hatte, habe ich angefangen, dich zu beobachten. Schnell fiel mir dabei auf, dass du netten Jungs nachschaust, wenn du nicht auf deine Augen aufpasst, Mädchen hingegen interessieren dich überhaupt nicht. Von dem Tag an hast du mich angezogen wie das Licht die Motte. Schnell waren die ersten Hoffnungen da, Vorstellungen, wie es sein könnte – und die ersten Albträume auch. Josh, ich will lieber verbrennen, als ohne dich zu leben, bloß, ich habe solche Angst, was ich dir antun könnte. Darum hab ich mich von dir ferngehalten,
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