de profundis
rasch zu seinen Stiften gegriffen und wie wild zu zeichnen angefangen hatte, rief, dass er noch nie so ein Modell gehabt habe und dass Repin und Schischkin sie bestimmt mit größtem Vergnügen gemalt hätten. Guido kam ebenfalls in Fahrt und wechselte immer wieder hastig die Objektive. Für mich war vollkommen klar: Sie war genau die Frau, die ich immer in meinen kühnsten Träumen mit Schokolade hatte beschmieren wollen.
23. Sie war nicht die Vollendung. Sie hatte einen nicht mehr jungen, etwas schlaffen Bauch mit einer Narbe, beinahe bis zum Nabel bewachsen – na und! Eine sumpfige Gegend, im Überfluss wachsen die Ulmen, aber dafür gibt es gleich daneben einen Hügel, und was für einen: Die Geografen bezeichnen ihn als den höchsten der Mittelrussischen Platte. Ich sehe Erdhütten, Lagerfeuer, den Partisanentrupp von »Onkel Kostja«, den Bau der Eisenbahn, Galgen, zerstörte Kirchen, vermoderte Kreuze, versengte Stoppelfelder, Massengräber von Mönchen und Bolschewiki.
24. Zunächst lag sie verklemmt da, grünlich grau, gab nervös dümmliche Bemerkungen einer 35-jährigen Provinzpflanze von sich und murmelte: »Mein Mann bringt mich um.« Aber dann wurde sie rosig und locker.
25. 16.50 Uhr. Ich knüpfte den Rucksack auf und begann ohne weitere Erklärungen, ohne lange Vorreden ihren Körper mit der aufgeweichten Schokolade einzureiben. Die technische Ausstattung spielte mir einen Streich: Man hatte mir Schokolade mit Nüssen verkauft, und es war nicht sehr günstig, sie damit zu beschmieren, da die Nüsse störten, aber ich beschmierte sie, ich schmierte sie ganz ein: die Fersen, die Waden, den Hintern, den Rücken, die duftenden unrasierten Achselhöhlen, den Hals, die Stirn, die Nase, das Kinn, die schweren, kräftigen Brüste und diesen etwas schlaffen, welligen, mittelmäßigen Bauch. Ich schmierte ihren Bauch mit Schokolade ein, vergaß dabei die Nüsse, den Deutschen und Golub, der seinen Bleistift hatte fallen lassen. Ich schmierte ihren Bauch mit Schokolade ein, und sie lag am Strand und bot ihren Körper der Schokoladensonne, und ich schmierte sie ein, verschmierte überall die Schokolade, schmierte die fette braune Schokolade und schmierte und schmierte.
26. »Unternehmung von Erfolg auf der ganzen Linie gekrönt«, meldete ich telegrafisch dem Kreml vom örtlichen Postamt. Als ich in den Wagen stieg, blickte ich zum Sternenhimmel auf und lächelte. Das Vaterland kann ruhig schlafen.
Die trüben Wasser der Seine
Die Delegation, der Valera Mutschkin als Dolmetscher angehörte, traf in streng vertraulicher Mission in Paris ein. Damals war es Sommer in Paris, der Himmel zeichnete sich durch ein intensives Hellgrau aus, fürs Auge schmerzlich und erfreulich zugleich, Niederschläge fielen mit äußerst französischem Feingefühl nur in der Nacht. Leiter der Delegation war Woldemar Timofejewitsch Ustibasch, ein gesetzter Mann mit grimmigem Gesicht, dessen Ausdruck indes durch seine typisch ostslawischen warmen Augen gemildert wurde. Und sosehr sie Woldemar Timofejewitsch auch unter seinen struppig abstehenden schwarzen, grässlichen Augenbrauen versteckte, was für ein autoritäres Aussehen er ihnen auch verlieh, so verrieten sie dennoch seine ganz eigene, ursprüngliche Zärtlichkeit, die Zärtlichkeit des Soldaten und des Vaters, der beim Schein des Lagerfeuers Pfeifen aus Nussbaumholz für die Kleinen schnitzt, der Vogelhäuschen mit ihnen bastelt. In Paris streikten damals die Postboten, und die Pariser Tauben wurden von der Regierung als niederträchtige Streikbrecher missbraucht. Die Pariser erhielten ihre Briefe, aber die Tauben verachteten sie. Sie ließen sie nicht wieder fliegen, sondern rupften sie und aßen sie auf. Das Gesicht des stellvertretenden Delegationsleiters, Genosse Antonow, entsprach dagegen den höchsten Ansprüchen europäischer Zivilisation, ebenso der Haarschnitt, und während Woldemar Timofejewitsch in Moskau zum erstbesten Friseur ging, wo man ihm einen Oberschülerschnitt verpasste und ihn dermaßen einparfümierte, dass er anschließend eine Woche lang nach Eau de Cologne aufstoßen musste, kurzum, während die Pariser Tauben den Postbeamtenstreik brachen und das Ministerkabinett sich am Rande des Bankrotts befand, hatte sich Antonow seinerseits im Moskauer Hotel »Peking« einen persönlichen Friseur zugelegt, und seine hellen Koteletten endeten zwei Fingerbreit unterhalb der Ohrläppchen. Was seine Augen betraf, so waren sie absolut blau und spiegelten
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