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de profundis

de profundis

Titel: de profundis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Jerofejew
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schrecklich, »aber ich habe es abgelehnt, wozu da herumschneiden? Mich stört es nicht.«
    So lagen sie im Bett und sprachen von ihrer unauslöschlichen Liebe, von der Unsterblichkeit der Seele und wieder von Liebe und Treue.
    »Materieller Wohlstand«, sagte Iwan Grigorjewitsch, »ist drittrangig. Zu zweit schaffen wir es, allen Millionären zum Trotz. Wir haben das Wichtigste – unsere Liebe. Sie wird uns helfen, im grausamen Kampf zu bestehen.«
    Er schenkte ihr einen dankbaren Blick, nahm vorsichtig, als sei es ein kostbares Gefäß, ihre zarte Hand und führte sie an seine Lippen. Als Antwort tätschelte sie ihm zärtlich die Wange und sagte:
    »Lass den Kopf nicht hängen: Du und ich, wir sind Patrioten.«
    »Und die Repressionen?«, platzte Sumpf heraus, der vor Aufregung vergaß, das »r« zu rollen.
    »Eine Auflistung von Stalins persönlichem Eigentum«, erwiderte Iwan Grigorjewitsch und zuckte ruhig die Schultern, »die nach seinem Tode erstellt wurde, bezeugt unanfechtbar: drei Anzüge, drei Hosen, ein Paar Hosenträger, vier Unterhosen, sieben Paar Socken und vier Pfeifen.«
    »Iwan Grigorjewitsch«, sagte ich. »Ich sehe in Ihrem Arbeitszimmer unter den Porträts berühmter Männer mit Schulterstücken das Foto von einem schlichten blonden Mädchen, das wie aufs Haar Ihnen und Ihrer Frau gleicht. Nach der Frisur zu urteilen, ist dieses Porträt wohl zwanzig Jahre alt.«
    »Natascha!«, schrie Iwan Grigorjewitsch. »Sie fragen nach unserer Tochter.«
    Natalja Michejewna kniff bekümmert die Lippen zusammen. Sie saß da in einem alten, abgenutzten Morgenrock, unter dem die nicht mehr frische, reichlich mit Blut befleckte Wäsche hervorlugte.
    »Sie ist mit dem Motorrad umgekommen«, sagte Natalja Michejewna, und die Schultern der alten Frau zitterten vor lautlosem Weinen.
    »Das ist nicht die ganze Wahrheit!«, schrie Iwan Grigorjewitsch die Alte an und stampfte mit dem Fuß auf.
    Sumpf schaute mit bleichen Lippen hinter der Kamera hervor.
    »Das ist unsere ermordete Tochter«, sagte Iwan Grigorjewitsch. »Sie und ihr Bräutigam waren mit dem Motorrad unterwegs. Man hat sie über den Haufen gefahren. Und statt unserer Tochter erste Hilfe zu leisten, verhöhnten die Verbrecher ihren verwundeten Körper, vergewaltigten das sterbende Fleisch und Blut und verschwanden, nachdem sie in ihre zarte rosa Muschi eine leere Flasche, entschuldigen Sie, Coca-Cola gesteckt hatten. Sie starb im Krankenhaus. Sie haben sich an mir gerächt!«
    »Wer, sie?«, fragte ich.
    Diamantene Tautropfen funkelten in den Sonnenflecken. Entgegen allem Unglück und Leid lebte die Natur nach ihren Gesetzen, und niemand konnte den natürlichen Lauf ihrer Lebenstätigkeit aufhalten.
    »War sie Ihr einziges Kind?«, wollte Sumpf wissen.
    Natalja Michejewna begann zu weinen, als wäre alles erst gestern gewesen.
    »Leck mich am Arsch, das ist ja grauenvoll!«, entfuhr es mir.
    Iwan Grigorjewitsch tat, als hätte er den unflätigen Ausdruck nicht gehört. Der Frühling beging feierlich das Erwachen der Natur und stellte seine nicht von Menschenhand geschaffene Schönheit zur Schau. In Moskau sangen zu dieser Zeit im Park von Ostankino die Nachtigallen ihre Koloraturen. Siebzig Kilometer nördlich der Hauptstadt schwiegen sie noch.
    Aljona verstummte, hielt den Atem an, als lauschte sie der Stille. Iwan Grigorjewitsch wartete ebenfalls mit gespitzten Ohren. Und da erwachte der ehrwürdige steinerne Sergius zum Leben. Er klopfte drohend mit dem Stab auf den Boden.
    »Was ist, Veteran, tut es dir Leid um Russland?«
    Und Iwan Grigorjewitsch sieht, vor ihm steht nicht mehr Sergius von Radonesh, sondern Fidel Castro. Und Fidel sagt zu ihm: »Verraten habt ihr die Sowjetmacht und das revolutionäre Kuba. Den Sozialismus habt ihr verraten.« Iwan Grigorjewitsch will etwas sagen, erklären, dass wir selbst verraten wurden und verkauft, dass Aljona umgebracht wurde, aber er hat keine Worte, keine Stimme. Und Fidel fährt mit der ihm eigenen Inbrunst fort: »Russland ist eine amerikanische Kolonie geworden, aber Kuba wird nicht kapitulieren. Uns werden die himmlischen Engel zu Hilfe eilen, wir werden siegen! Sie fliegen schon Richtung Erde, ich höre ihre Signale! Seht, da kommen sie geflogen, unsere Retter. Seht ihr ihre Luftschiffe, die fliegenden Untertassen?«
    »Ja«, nickte ich und starrte aufrichtig in den Moskauer Frühlingshimmel. »Ich sehe sie!«
    »Und da habe ich alles begriffen«, sagte Iwan Grigorjewitsch im Flüsterton in unsere

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