Dead: Band 1 - Roman (German Edition)
den Latrinen kommt, schaltet sie die Taschenlampe ein und geht vorsichtig weiter. Jonesy neben ihr macht es ebenso. Sie ist am liebsten bei Mondlicht auf Streife, passt ihre Augen an die Dunkelheit an und wird zur Jägerin statt zur reinen Nachtwächterin. Doch das Latrinengebiet ist nachts sogar für Cops gefährlich, und der nahe Kanal ist nur schwach durch solarbetriebene Gartenleuchten markiert. Ein Lichtstrahl malt einen Bogen an den Himmel über dem Horizont. Man hört in der Ferne das Rattern von Handfeuerwaffen. Die Vorposten außerhalb des Lagers sind heute Abend wieder sehr beschäftigt. Dann hört der Beschuss so plötzlich auf, wie er begonnen hat. Wendy gibt Tyler, dem grauhaarigen Bücherleser in der Wache, per Funk ihre Position bekannt.
» Verstanden. Seid bloß vorsichtig, Leute. Und haltet die Augen auf. «
Wendy lächelt über das Beschützerverhalten der Männer, aktiviert ihr Walkie-Talkie und sagt: » Du auch. «
» Darauf kannste dich verlassen, kleine Wendy. «
Wieder fliegt eine Leuchtrakete über die fernen Hütten.
» Klingt heute Abend, als wäre da ’ne echte Schlacht im Gange « , sagt Jonesy schmatzend.
» Gib mir auch mal ’n Kaugummi. «
» Was krieg ich dafür? «
» Mein Freund könnte dich in der Mitte durchbrechen, Jonesy. Und wenn er’s nicht könnte, könnte ich es. «
» Okay, okay. « Jonesy lacht. » Man kann’s ja mal versuchen. «
Sie schiebt sich den Kaugummi in den Mund und fängt rachsüchtig an zu kauen.
Ihre dritte Nachtstreife mit der Einheit 12, und ihr ist langweilig.
Gestern Abend gab es ein bisschen Aufregung: Eine Explosion am anderen Ende des Lagers, ein Blitz am Himmel, und dann ein Krachen und ein leichtes Beben, das man auch bei ihnen noch spürte. Leider außerhalb ihres Patrouillenbereichs. Wie sich herausstellte, war ein selbst gebautes Drogenlabor in die Luft geflogen. Wendy wünscht sich fast, dass so etwas auch mal hier passiert.
Raketen brennen, während sie am fernen Himmel nach unten sinken. Ein Maschinengewehr fängt an zu rattern.
Sie gehen am Rand des Kanals entlang und halten nach Planken Ausschau, über die man ans andere Ufer gelangt. Die Strahlen ihrer Taschenlampen flackern über den Erdboden. In einer nahen Hütte spielt jemand Mundharmonika. Ein Paar, das es in einer anderen Hütte miteinander treibt, stöhnt laut.
Jonesy kichert.
» Du bist wohl nicht der einzige Weiberheld in dieser Gegend « , sagt Wendy.
Jonesy lacht.
» Da ist die Brücke « , sagt er. » Sei vorsichtig! «
Sie trampeln über die Planken und finden sich zwischen den Dixi-Klo-Reihen wieder.
» Polizei « , sagt Wendy laut.
» Polizei im Einsatz « , sagt Jonesy.
Drei Tage ohne ein Wort von Sarge. Wendy macht sich schon Sorgen.
» Sag mal, Jonesy, wie bist du Cop geworden? « , fragt sie, um sich abzulenken.
» Tja, Ray hat die Einheit aufgebaut, und Tyler und er sind im gleichen Bowlingteam « , sagt Jonesy. » Und Tyler ist mein Alter. Als die Seuche ausbrach, hatte ich gerade die Highschool abgeschlossen. Ich wollte aufs College gehen. Ich wollte eigentlich Tierarzt werden. «
Wendy lächelt. Tyler wollte nicht sie, sondern seinen Sohn schützen.
» Tierarzt ist ’n guter Job « , sagt sie.
» Oh, ja, ein echt guter … «
Ein Mann blockiert plötzlich ihren Weg und schirmt seine Augen vor dem hellen Licht ihrer Taschenlampen ab.
» Können Sie bitte woanders hinleuchten? «
Sie lassen ihre Lampen ein Stück sinken. Wendy legt die andere Hand auf den Griff ihres Schlagstocks.
» Bleiben Sie, wo Sie sind, Sir « , sagt sie.
» Sie sind doch Polizisten, oder? Ich glaub, ich hab gehört, dass Sie es gesagt haben. «
» Brauchen Sie Hilfe? «
» Meine Frau ist verschwunden. Sie kam vor einer Stunde hierher, weil sie mal musste. «
» In Ordnung, Sir « , sagt Wendy. » Können Sie sie beschreiben? «
Ihre Instinkte schreien: Gefahr.
Sie wirbelt herum und zieht den Schlagstock, während Jonesy stöhnend zu Boden geht. Ein Mann steht hinter ihm. Er hält ein Eisenrohr in der Hand. Ein anderes Rohr blitzt neben ihrem Kopf auf und trifft ihn mit einem satten Klatschen. Ihr Blickfeld wird schwarz und ist voller Sterne.
Wendy wird es schwindelig, sie kämpft darum, auf den Beinen zu bleiben, als sich die Gestalten nähern.
Sie tut automatisch, was ihr beigebracht wurde, und weicht aus.
Sie schwingt den Schlagstock, haut einem der Männer ins Gesicht und versetzt dem anderen dann einen Rückhandschlag aufs Ohr. Der erste stolpert nach
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