Dead: Band 1 - Roman (German Edition)
Wendy möchte gern noch weitergehen.
Sie tätschelt die Glock an ihrer Seite, um das ihr Sicherheit verleihende Gewicht zu spüren. Dann marschiert sie dem Highway entgegen.
Ethan erwacht mit mörderischen Kopfschmerzen auf warmem Asphalt. Er fühlt sich wie ein Stück Hähnchenfleisch, das zu lange im Backofen gelegen hat. Er öffnet ein trübe blickendes Auge und drückt es fest wieder zu, da der grelle Silberhimmel ihn schmerzhaft blendet. Er blinzelt die Tränen fort und versucht es erneut. Langsam passen sich seine Augen an das Licht an, und er macht auf dem weiträumigen Parkplatz vor einem einfachen schuhkartonförmigen Gebäude Gestalten aus. Eine Raststätte, denkt er. Dahinter: Wald und eine Hügellandschaft. Sie haben nicht nur das Krankenhaus, sondern auch Pittsburgh verlassen. Was ist in der vergangenen Nacht passiert, verdammt?
Das Letzte, woran er sich erinnert, ist die Nadelspitze, die in seinen Arm gebohrt wurde.
Er versucht, die Gestalten schärfer werden zu lassen. Seine Brille ist weg. Er ist kurzsichtig. Die verschwommenen Gestalten werden langsam zu den Gefährten, die sich um ihn herum auf dem Asphalt verteilt haben. Anne steht am Panzer und durchwühlt ihn. Die Soldaten schleppen den sich wehrenden Fahrer unter die Überdachung der Zapfsäulen. Ethan bemerkt ihre Körpersprache und fragt sich, ob sie etwa infiziert sind. Sein Instinkt sagt ihm, dass es besser ist, sich schlafend zu stellen. Er schließt die Augen und versucht, seine volle Blase zu ignorieren.
» Wo gehen wir hin? « , fragt jemand. » Wo ist es sicher? «
Ethan kennt die Stimme. Sie gehört Paul. Er hat plötzlich ein Déjà-vu, eine Rückblende in einen der endlosen Albträume der vergangenen Nacht. Schon wieder das seltsame Gefühl der Desorientierung, des Nichtwissens, wer er ist oder was er hier macht. Wenigstens weiß er jetzt, dass die anderen nicht infiziert sind, denn Infizierte reden nicht. Er schlägt die Augen auf und versucht sich hinzusetzen. Die Luft ist heiß, mit Rauch gefärbt und brennt in den Augen. Sein Hemd ist von einer trockenen roten Kruste bedeckt. Kein Blut: Kotze. Der ätzende Geruch lässt ihn würgen. Er stöhnt auf Händen und Knien, sein Blickfeld verschwimmt in Tränen, und er spuckt mehrmals in den Staub. Dann wischt er sich über die Augen und stellt fest, dass die anderen Überlebenden ihn beobachten.
» Wasser « , krächzt er. Seine eigene Stimme kommt ihm fremd vor. Seine Zunge fühlt sich an wie ein Stück Leder.
Anne kommt aus dem Bradley und wirft einen Karton auf den Boden, der aufplatzt und Dosen über den Asphalt verstreut. Sie zückt eine ihrer Pistolen und marschiert auf ihn zu. Die anderen Überlebenden kommen näher.
» Kann ich etwas Wasser haben? « , fragt er.
Anne tritt ihm in die Rippen und stößt ihn wieder auf den warmen, harten Boden.
» Arschloch « , sagt sie.
Bei der plötzlichen Aggression dreht sich ihm erneut der Magen um. Er krümmt sich, ringt nach Atem, muss würgen.
Anne kniet sich neben ihn hin, packt mit einer Hand sein krauses Haar und drückt den Lauf ihrer Pistole in das weiche Fleisch unter seinem Kinn. Als der Wind sich dreht, verfinstert sich der Himmel.
» Wir sind angegriffen worden « , zischt sie dicht an seinem Ohr. » Wir sind angegriffen worden, und du hast uns nicht geholfen. Wir mussten dich da raustragen. Wir mussten dich tragen. Du hast uns hängen lassen, Ethan. «
» Mach das bloß nicht, Anne « , sagt Paul. Seine tiefe Stimme klingt wütend und gebieterisch.
Ethan erringt die Kontrolle über seinen Magen zurück, keucht und schaut Anne zornig an.
» Doch, mach es « , sagt er.
Anne weicht überrascht zurück.
» Willst du sterben? Ist es das? «
» Mir ist alles egal. «
» Du möchtest, dass ich es tue, weil du es selbst nicht kannst. Du bist ein Feigling. Ich hätte dir Schlimmeres antun können. Ich hätte dich bei ihnen zurücklassen können. «
Ethan zögert, bevor er antwortet. Die Erkenntnis, dass sie recht hat, erschreckt ihn. Er hat keine Hoffnung, seine Familie zu finden, und ohne seine Familie hat er überhaupt keine Hoffnung mehr. Aber er weiß nicht, wie er sterben soll.
» Tut mir leid, dass ich euch hängen lassen hab « , sagt er. » Wenn ihr einen Sündenbock braucht, geht es in Ordnung. Es interessiert mich nicht mehr. Tu es also, wenn du es brauchst. «
» Er weiß doch, was er getan hat, Anne « , sagt Paul. » Er kann es nicht mehr rückgängig machen. «
» Wer vertraut ihm? « , sagt Anne
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