Dead: Band 1 - Roman (German Edition)
geliebt hat, verwandelt sich in Tonnen von Asche, die in den oberen Atmosphärenschichten schweben. In dieser Welt sind die Kinder tot. Es ist das Beste, sich in dieser Welt nichts zu erhoffen. Es ist am besten, ständig auf Achse zu sein und nie anzuhalten.
Nur eins gibt ihr Kraft: der kurze Augenblick der Nähe, den sie gestern Nacht mit Sarge erlebt hat. Die Erinnerung an die Berührung brennt noch immer in ihrem Brustkorb. Sie ist einem Impuls gefolgt und in sein Zimmer gegangen, weil sie ihm einen Hinweis geben wollte. Und um vielleicht auch ein bisschen zu schäkern. Ich schau dich gelegentlich an, wollte sie ihn wissen lassen. Du schaust mich an, und ich dich. Dann ertappte sie sich dabei, ihn zu küssen, und fiel in ein wohliges Nichts. Sie sagte sich, dass die Welt endete und nur noch wenig Liebe vorhanden war. Man musste sie packen, sobald man sie fand. Ihrer Meinung nach waren Sarge und sie aus dem gleichen Holz geschnitzt. Das war es, was sie anzog. Er ist ein Soldat ohne Heer, ein Zenturio, der noch kämpft, obwohl seine Legion vernichtet wurde. Und sie ist ein Cop im Land der Gesetzlosen. Dann war sie für kurze Zeit in seinen Armen eingeschlafen und hatte sich so sicher gefühlt wie noch nie im Leben. Es verblüfft sie nun, wie ein einfacher Mann in dieser gefährlichen Welt ihr das Gefühl vermitteln konnte, sicher zu sein.
Wendy begegnet einer bunt zusammengewürfelten Gruppe von Flüchtlingen, die mehrheitlich aus jungen Männern und Frauen besteht. Manche sind in Decken gehüllt, andere schleppen Rucksäcke und Regenschirme mit, andere tragen Schutzbrillen und Atemgeräte. Sie sind mit Messern, Brechstangen, Baseballschlägern und sogar mit selbst gemachten Speeren bewaffnet. Der Ruß bildet in Wendys Mund langsam eine Paste und knirscht zwischen ihren Zähnen. Sie spuckt aus und bedauert, dass sie nicht daran gedacht hat, eine Feldflasche mitzunehmen.
» Hallo « , sagt sie und beäugt neugierig die Leute. » Alles in Ordnung bei euch? «
Die Menschen ignorieren sie, gehen wie benommen vorbei, ihre Haare und Schultern sind mit grauweißer Asche bedeckt.
» Du gehst in die falsche Richtung « , sagt ein Mann und zeigt ihr graue Zähne.
Eine Frau, der Wendys Abzeichen und Gürtel auffallen, fragt sie, ob sie Polizistin sei.
» Wohin sollen wir denn nur gehen? « , fragte die Frau.
Wendy hält inne, um ihr Kaugummi auszuspucken, das vom Staub ganz knorpelig geworden ist. Die Frau sieht es mit einem sehnsüchtigen Blick in die Asche fallen.
» Ich würde euch raten, nach Westen zu gehen « , sagt Wendy. » Und zwar so weit von Pittsburgh weg wie möglich. «
» Heißt das, an dieser Straße gibt es keine Rettungsstation? «
Ein Mann, dessen Ohr blutet, ruft: » GEHÖRST DU ZUM FEMA - CAMP ? «
» Ich weiß nichts von irgendeinem FEMA -Camp, Sir. «
» WAS ? «
» Wenn an dieser Straße keins ist, wo ist dann eins? « , sagt die Frau, deren Stimme schon am Rand der Panik ist.
Eine kleine Menge sammelt sich. Die Menschen begutachten Wendy in einer Mischung aus Hoffnung, Groll und Schreck und frösteln trotz der Hitze. Der Schreihals stolpert, ist kurz desorientiert, und schreit dann: » VOR UNS IST KEINER , DER UNS HILFT ? WIR SIND AUF UNS ALLEIN GESTELLT ? «
» Ich weiß nichts von irgendwelchen Rettungsstationen oder FEMA -Camps. Ich bin nicht als Polizistin hier. Ich gehöre zu einer anderen Gruppe, die die Stadt nach dem Ausbruch des Feuers verlassen hat. «
» Wir haben alles verloren « , jammert die Frau. » Wir haben nichts zu essen. Ein paar Burschen mit Waffen haben mir da drüben den letzten Wassertropfen abgenommen. Wo soll ich denn nur hingehen? «
» Wo wart ihr Cops, als diese Ungeheuer meine Familie zerrissen haben? « , sagt eine andere Frau, deren Augen vom Fieber glasig sind. Der größte Teil ihres Haars und ihrer Augenbrauen sind verbrannt, und ihre rechte Gesichtshälfte ist von einem dicken schmutzigen Verband bedeckt. » Das würde ich gern mal wissen. Ich hab die 911 angerufen, aber keiner ist gekommen. Niemand ist gekommen, und jetzt ist Edward tot. Edward, Billy, Zoe und Paulchen. Und jetzt kreuzt ihr auf und wollt uns sagen, was wir tun sollen? Wo waren Sie, Lady, verdammt noch mal? «
Die Menge rückt wütend näher, ihre mageren Hoffnungen sind enttäuscht, ihr Groll ist angestachelt.
» Tut mir leid « , sagt Wendy. Sie möchte die Lage gern erklären – dass ihr Revier überrannt wurde, dass auch sie auf sich allein gestellt ist, dass sie niemandem
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