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Dead: Band 1 - Roman (German Edition)

Dead: Band 1 - Roman (German Edition)

Titel: Dead: Band 1 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig DiLouie
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Kameraden denken. Nur ein Bruchteil des im Ausland stationierten US -Militärs war nach der Brüllerei nach Hause gebracht worden. Er wird sich fragen, wie es ihnen da drüben ergeht, den Tausenden, die man in den wilden Teilen der Welt zurückgelassen hat. Er wird sich fragen, ob die Jungs im Sandkasten es je nach Hause geschafft haben. Ob sie nun statt auf Afghanen auf Amerikaner schießen. Wenn er sie je wieder sieht, wird er » Pa khair raghla « sagen. Gott sei Dank bist du heil und gesund angekommen.

DIE RASTSTÄTTE
    Wendy taumelt aus der Backofenhitze des Bradley auf einen riesigen freien Parkplatz unter einem bedeckten Himmel. Die versengte Luft trocknet sofort den Schweiß auf ihrem Gesicht, kühlt ihre Haut, und sie fühlt sich, als wäre sie gebraten worden. Sie atmet tief ein, doch sie muss husten, weil die Luft so schwer ist und einen strengen brennenden Chemiegeruch aufweist.
    Vor ihr breitet sich ein großes Gebäude aus. Auf dem massiven Schild darüber steht: BENZIN – FRÜHSTÜCK – AUTOWÄSCHE . Zwei überdachte Tanksäulen flankieren das Gebäude; die eine verspricht Benzin und die andere Diesel für Schwerlaster. Ohne Strom wirkt alles finster und desolat. Der Laden ist vor einiger Zeit verlassen worden. Die Parkplätze sind ausnahmslos leer. Hier und da liegt Müll herum, der in einer plötzlich heißen Brise herumflattert.
    Einen Moment lang malt Wendy sich Fernfahrer aus, die während langer Fahrten nach Pennsylvania und wieder heraus Laster betanken und dann in den Imbiss stiefeln, um einen Kaffee zu trinken und schiffen zu gehen. Und schon ist der Moment vorbei. Heutzutage, weiß sie, kann der Mensch Gespenster sehen. Wenn man weiß, wohin man blicken muss, sind sie überall. Man muss sich nur an die Vergangenheit erinnern. Ein paar Erinnerungen an die tote Welt herbeirufen.
    In der rauchgeschwängerten Luft muss Wendy keuchen. Die ganze Atmosphäre ist verbrannt. Sie riecht nach Lungenkrebs. Unheimliche kleine graue Schneeflocken tanzen lautlos über die öde Landschaft. Wendys erschöpftes Hirn braucht eine Weile, bis es kapiert, dass es keine Schnee-, sondern Ascheflocken sind. Beziehungsweise die eingeäscherten Überreste Pittsburghs, die auf starken Konvektionsströmen in die Atmosphäre hinaufgezogen und dann vom Wind verstreut werden. Ein sich drehendes Ascheflöckchen landet auf ihrer Schulter. Geistesabwesend versucht sie, es abzuwischen, und hinterlässt einen grauen Schmutzfleck.
    Pittsburgh brennt noch immer. Wendy dreht sich um und begutachtet den riesigen Rauchwall, der sich aus den schwelenden Ruinen der Stadt im Osten erhebt, umgeben von schweren Feinstäuben.
    » Alles, was ich kannte, war in dieser Stadt « , sagt sie heiser, da ihre Kehle von der Hitze und den Schreien rau und trocken und kratzig ist. » Alles und jeder, den ich auf der ganzen Welt kannte. «
    Der Ort, an dem sie geboren wurde. Der Ort, an dem sie aufgewachsen ist. Das Haus, in dem sie zum ersten Mal gekifft hat. Das Haus, in dem sie ihre Jungfräulichkeit verlor. Die Schule, in der man ihr die Grundlagen der Bildung vermittelte, die Schule, in der man sie zum Cop ausbildete. Das Haus, in dem sich ihre Dienststelle befand, und das Viertel, in dem sie Streife lief. Wo das Einkaufszentrum war, in dem sie ihre Kleidung kaufte, und der Supermarkt, in dem sie sich mit Lebensmitteln eindeckte. Wo die Kneipen waren, in denen sie am Wochenende ein paar Bierchen zischte. Das Kino um die Ecke, in dem sie mit verschiedenen Freundinnen und Freunden Dutzende von Filmen sah. Das Hospiz, in dem ihre Eltern starben, das Krankenhaus, in dem ihre Nichte geboren wurde, das Restaurant, in dem sie sich in Dave Carver verliebte, der Streifenwagen, der fast ihr zweites Zuhause war.
    Diese Orte und die Menschen, die sie mit Leben erfüllten und kleine und große Rollen in ihrem Leben spielten, sind nur noch Asche. Alles im Feuer verloren. Und damit auch ihre gesamte Vergangenheit. Es ist zu viel, um es geistig zu erfassen, zu schrecklich, um es sich auch nur vorzustellen.
    » Ich kann’s nicht fassen, dass das alles weg ist « , sagt sie und schluckt, was ihr nicht leichtfällt.
    Sie dreht sich um, um nachzuschauen, ob jemand zuhört, aber es ist niemand da. Sämtliche anderen Überlebenden sind allein und benommen über den leeren Parkplatz gewandert, als kämpften sie gegen eine unsichtbare Leine an, die sie mit dem Panzer verbindet. Sie sind so weit voneinander entfernt, wie man gehen kann, ohne gänzlich allein zu sein.

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